„Wir investieren in das Modell Zukunft.“ – Marco Lanowy

Marco Lanowy
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Dieses Interview erschien in J’N’C News 2/20.

Für viele lautet derzeit die Devise: Ruhig bleiben und nach Lösungen suchen. Auch Alberto Geschäftsführer Marco Lanowy musste zur Krise einen kühlen Kopf bewahren, um sein Unternehmen, seine Mitarbeiter und seine Kunden gemeinsam durch diese schwere Zeit zu führen. Im Interview erzählt er uns, welche Maßnahmen sie kurzfristig und langfristig ergreifen wollen, was das wohl größte Learning der Branche ist und ob er Alberto auf der Frankfurt Fashion Week sieht.

Kommen wir gleich zur Sache: Wie hat Alberto die Krise bisher erlebt?
Im Grunde sind wir schon fast müde immer über dasselbe Thema zu reden, weil das nicht unserem Naturell entspricht. Wir haben uns in der ganzen Phase immer nach vorne gerichtet. Und wenn das Thema nicht so ernst wäre, würde ich sogar sagen, dass es Spaß gemacht hat. Alberto ist ein 100-jähriges Unternehmen, das schon einige Krisen durchlebt hat. Daraus haben sich Stärken entwickelt, auf die wir uns jetzt besinnen konnten. Wir sind sehr ruhig geblieben und haben uns gefragt, wo wir nach dieser Ist-Situation eigentlich hinwollen? Was für Learnings nehmen wir mit? Wie wendig sind wir von Tag zu Tag? In so einer Zeit braucht man einfach einen klaren Kopf, den wir versucht haben zu behalten. Fakt ist, der April hat uns richtig wehgetan und uns richtig viel Geld gekostet. Im Prinzip war der April wie Eiswürfel, die dir in der Hand wegschmelzen.

Und wie verhindert man das?
Wir haben unsere Prozesse neu ausgerichtet, geschaut, wo wir jetzt welche Maßnahmen ergreifen können und immer nach positiven Lösungen gesucht. Hier ging es uns nicht um den schnöden Mammon, sondern es ging uns um die Mitarbeiter. Es geht uns um das Produkt, um diese Leidenschaft für Alberto, die wir einfach klar auf eine sichere Bahn bringen wollten.
Wir haben vor allem unsere Kommunikation aufrecht erhalten, insbesondere den Sale, der auch als Seelentelefon fungierte. Wir haben die Produktionsprozesse weiter am Laufen gehalten und dadurch, dass Alberto immer sehr früh in die Beschaffungs- und Produktionsprozesse einsteigt, haben wir auch hier glücklicherweise fast 95 Prozent der Herbst/Winter-2020-Order produzieren können. Nachdem auch in unseren Produktionsbetrieben in Tunesien, Rumänien und in Polen der Lockdown wieder aufgehoben wurde, konnten wir auch wieder Ware zur Verfügung stellen. Wir haben den Kunden versucht, so gut wie möglich da zu helfen, wo es ging.
Es mussten beispielsweise viele Prozesse ummodelliert werden, darunter auch Lieferterminverschiebungen, die wir nicht pauschalisiert, sondern individuell angepasst haben, denn wir haben Kunden mit einer bunten Couleur an individuellen Vorgehensweisen. Und diese individuellen Vorgehensweisen waren uns sehr wichtig. Wir sind noch immer mittendrin in der Pandemie, da muss sich keiner jetzt von frei sprechen, aber wir haben unsere Möglichkeiten, unsere To-Do’s und unsere Vorbereitungen gemacht. Wir können jetzt einfach nur hoffen, dass wir da alle sicher und gesund durchkommen. 

Marco Lanowy
Geschäftsführer Marco Lanowy Foto: Presse

„Der Faktor Mensch wird innerhalb der Pandemie und nach der Pandemie wichtiger denn je sein.“

Welche Learnings habt ihr bei diesem Prozess bislang sammeln können?
Dass digitale Kommunikation keine Empathie hat. (lacht) Wir haben den Newsletter- und Meldungsspam stark reduziert und nur eine Meldung herausgegeben. Natürlich haben wir uns und unsere Agenturen weiterhin informiert, aber wir bei Alberto waren ziemlich gut vorbereitet, denn wir sind ein sich ständig entwickelndes Unternehmen. 
Man lernt aber auch durch andere und konnte ganz genau beobachten, wie agil viele wirklich sind. Dabei haben wir aber leider auch feststellen müssen: je größer, desto unagiler ist ein Unternehmen. Die zahlreichen Schreckmeldungen haben das ganz klar bestätigt.
Aber das wohl größte Learning ist, dass der Faktor Mensch unfassbar wichtig ist. Wir kommen aus einer Kultur, in der wir gerne Gäste empfangen, aber in der wir auch gerne Gast sind. Wenn man nun dieses Menschliche, dieses Persönliche nicht mehr ausleben kannt, fehlt da plötzlich etwas. Wir bewegen uns also in einem ganz neuen Rahmen. Das sollten sich alle zu Herzen nehmen: der Faktor Mensch wird innerhalb der Pandemie und nach der Pandemie wichtiger denn je sein. 

Wird sich das irgendwann auch in den Innenstädten wieder zeigen?
Ja, das gilt auch für den Menschen auf der Fläche. Wir reden heute nicht mehr von dem Verkäufer, wir reden von jemandem, der in der Community dein Ansprechpartner ist und auf Augenhöhe mit dir kommuniziert. Das müssen Leute sein, die dir nichts verkaufen wollen, im Sinne von Verkaufen, sondern die müssen dir Spaß am Produkt vermitteln, sodass du es gerne mitnimmst und dafür bezahlst. Warum arbeiten denn alle gerne in einem Sneaker Store oder bei Ace & Tate oder bei Apple? Weil da eine Community ist, die dir auf Augenhöhe begegnet.

Welche Branchen gehen derzeit mit gutem Beispiel voran?
Da gibt es einige, aber wer meiner Meinung nach richtig profitiert hat, ist die Sport, Running, Yoga und Bike Community. Sie haben eine starke Community geschaffen, in der sie Online-Kurse anbieten, die Produkte untereinander vermarkten, Cross Selling anbieten; sie haben einfach ihr Potenzial erkannt und auch genutzt.

Sports Pants
Foto: Presse

Und welches Potenzial hat die Mode?
Wir sind eine Branche, die den Menschen ein gutes Gefühl mitgeben will. Das haben leider viele vergessen. Es ist nicht unsere Aufgabe zu jammern, sondern am guten Gefühl zu arbeiten. Das müssen wir wieder auf uns zukommen lassen. Ich weiß um die ganzen Sorgen und wir werden in der Zwischenzeit viele lieb gewonnen Kunden, Händler, Fabrikanten und Mitstreiter sicherlich so am Markt nicht mehr sehen und man selber tut auch alles dafür, dass es einem selber gelingt, durch diese Phase zu kommen, aber trotzdem dürfen wir bei all dem nicht vergessen: Es geht weiter und dabei dürfen wir auch nicht den Spaß vergessen und wofür wir überhaupt in diese Branche gekommen sind: nämlich genau für diesen Spaß und das gute Gefühl.

„Frankfurt, why not?“ 

Apropos ‚es geht weiter’: Gleich nach dem Lockdown habt ihr im Münchener Oberpollinger eine Pop-up Fläche eröffnet. Sind mehr solcher Flächen geplant?
Ich finde es toll, dass wir die Chance haben, unser neues Projekt im Oberpollinger zu zeigen und ja, es sind noch weitere Flächen geplant. Der nächste Pop-up Store wird demnächst im KaDeWe umgesetzt. Wir arbeiten nur mit ausgewählten Händlern zusammen, um unser Surrounding zu verändern. In Märkten wie den Niederlanden, der Schweiz, Belgien und Österreich zeigt sich bereits, dass sich unser Markenumfeld positiv verändert hat. Auch für unsere Golf- und Bike-Kollektionen kann ich mir Pop-up-Flächen auf einem Golfplatz oder einem Bike-Store vorstellen. Wir müssen einfach mehr Stories erzählen, mehr begeistern. Die Pandemie hat unglaublich viel Kapital vernichtet, aber wir hinterfragen jetzt Prozesse, die wir auch tatsächlich verändern können. Wir bei Alberto investieren weiter in das Modell Zukunft. Das ist unser klares Signal, das wir zur Krise setzen.

Stichwort Zukunft: Ihr wart jede Saison sehr präsent auf den Berliner Messen vertreten. Nun wartet die Messe Frankfurt und die Premium Group mit der Frankfurt Fashion Week auf. Wie stehst du dazu?
Frankfurt, Sleeping Beauty. Ich glaube, hätten sie Münster gewählt, hätten alle auch Münster mitgemacht. Aber, bei allen Diskussionen, Berlin bleibt Berlin. Frankfurt ist in ihrer Form eine Business-Stadt. Aber da haben sich zwei starke Partner zusammengetan, die national und international gut agieren können, die auch Ideen in den Markt bringen können; aber für mich bleibt Berlin nach wie vor ein toller Impulsgeber für Deutschland. Und ich glaube auch, ganz heimlich, dass eine coole Berliner Community ihr ganz eigenes Ding daraus machen wird. Aber hey, Frankfurt, why not? Wenn wir etwas daraus machen, das wir auch wollen, kann die Frankfurt Fashion Week eine Chance haben. 

Weitere Informationen unter alberto-pants.com.