Mandie Bienek im Interview über die ‚Live Digital Brand Days’ von Press Factory

Digital Brand Days
Mandie Bienek, Co-Founder und Co-CEO Press FactoryFoto: Press Factory

Bedingt durch die jüngsten und zugleich rasanten digitalen Entwicklungen in der Kommunikationsbranche, hat sich die Berliner Agentur Press Factory explizit mit der Relevanz von Press Days zu COVID-19 auseinander gesetzt und vergangenen Dienstag ihr brandneues Format ‚Live Digital Brand Days’ lanciert. J’N’C sprach mit Co-Gründerin und Co-CEO Mandie Bienek über erste Learnings, das Potenzial verschiedener Formate und dem globalen Trauma. 

Ihr habt euer Live-Sendeformat mit den Brands Ecoalf, Stetson, Liebeskind Berlin, Dr. Hauschka und Norwegian Rain gestartet. Wie würdest du das Debüt der ‚Live Digital Brand Days’ zusammenfassen?
Es war aufregend, aber ein voller Erfolg. Wir haben sehr viel positives Feedback und Zuspruch für das Format erhalten. Der ‚Behind the Scenes’-Blick kam sehr gut an. Durch unser Format kann man die Macher hinter der Brand sehen, bekommt ein Gefühl für die Marke, aber auch sehr viel Emotionalität vermittelt. Wir haben hier eine Chance für den Moment gesehen. Zwei der teilnehmenden Unternehmen haben uns nun auf eine unterjährige Live-Produktion angesprochen. Das ist natürlich das beste Feedback, das man erhalten kann. Denn natürlich wollten wir mit diesem Format eine neue Kategorie etablieren: die Live Digital PR. Wir wollen die Live Experience mit der digitalen Komponente zusammenbringen. Sozusagen ein Live Studio mit regelmäßigem Programm für Marken anbieten. Digitales Shopping über Messenger-Dienste, auch Conversational Commerce genannt, wird auch hier bald ein Thema sein. Etwas, das sich auch sehr gut integrieren lässt und wo wir viel Potenzial für die Zukunft sehen, aber ausschließlich digital zu arbeiten, sehen wir nicht. Es geht immer um die Verbindung der Komponenten. Das ist sehr wichtig.

Gibt es bereits erste Learnings?
Ja. Ein großes Learning war der technische Bereich. Gerade zu Beginn, beim ersten Slot, hatten wir ein wenig mit dem Datenvolumen zu kämpfen, wodurch das Bild und die Verbindung ab und zu hing. Es geht also um eine technische Anpassung, die wir für den zweiten Slot gleich anpassen konnten. Wir denken aber auch bereits über mehrere Kameraeinstellungen nach, um im Nachhinein für die Nicht-Live-Aufnahmen, eine bessere Qualität zu liefern.

Ihr bietet diesen Broadcast-Service auch Unternehmen an, die nicht über eine Presseagentur verfügen oder denen entsprechende Ressourcen fehlen. Wieso?
Diese Idee ist entstanden, weil wir an einen grundsätzlichen Umbruch glauben – auch schon vor Corona. Und dieses Umdenken wollen wir vorantreiben. Zum einen aus der Agenturseite: Wir kommen aus einer Kommunikations-PR-Agentur-Welt, die immer zu 80 Prozent aus festen Retainerkunden und 20 Prozent aus Projektgeschäft bestand. Wir haben jedoch die letzten Jahre feststellen können, beispielsweise durch sinkende Marketingbudgets, dass sich das Verhältnis stark zu den Geschäftsprojekten hin verschoben hat. Wir wollen Marken in Zeiten wie diesen eine Plattform geben, die sich keine feste PR Agentur leisten können und/oder inhouse nicht über die Kapazitäten sowie die Manpower verfügen, um so ein Format inhouse aufzustellen. Es benötigt pro Live-Sendung in einer Qualität wie der unseren ein Core-Team von fünf erfahrenen Personen. Schließlich decken wir von Set-Design über Licht, Ton, Technik und vor allem Kommunikationsberatung einschließlich Moderation der Slots alles ab. Was jedoch wichtig ist: Wir selektieren die Marken nach unseren Kriterien.

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Das Liebeskind Berlin Set-up zum Debüt der Digital Brand Days von Press Factory Foto: Press Factory

Das heißt konkret?
Es geht um Unternehmen, mit denen wir unsere Werte teilen und die nachhaltig agieren und sich für eine verantwortungsvollere Zukunft einsetzen. Wir glauben an nachhaltige Marken, Craftsmanship und Sustainability in all seinen Facetten. Diesen Purpose haben wir im Auge. Wir wollen also Unternehmen unterstützen, die durch ihr Business zu einem gesamtgesellschaftlichen Umdenken beitragen. Ist es ambitioniert? Ja, aber wir sehen das als unsere Aufgabe an. Jetzt ist die Zeit reif dafür, dass man das auch stark vorantreiben kann.

Habt ihr denn schon einen externen Auftrag?
Ja, mit Norwegian Rain hatten wir einen externen Auftrag.

Zahlreiche Unternehmen greifen jetzt auf diverse digitale Formate zurück, darunter auch Instagram oder virtuelle Showrooms. Wie stehst du dazu – vielleicht sogar außerhalb der Agentur-Perspektive?
Die Entwicklungen finde ich sehr spannend. Ich weiß, dass unser Format nicht für jeden funktioniert, aber wir haben uns sehr stark darauf konzentriert, die Marken und dessen Story zu vermitteln. Bei uns ging es nicht um den Kanal, sondern das Format als Content; den fachlichen Austausch und die Brand Experience.
Instagram gehört für uns als Agentur zu den wichtigsten Kanälen, aber es ist eben nur ein Kanal von vielen. Wir nutzen ihn als Verbreitung von Content und vorrangig visuellen inhaltlichen Emotionalisierungen oder Haltungen von Marken. Auf privat gesetzte Instagram-Channels, die als ‚Press Day‘-Alternative dienen sollen,funktionieren meiner Meinung nach nur als 360 Grad Konzept und auch nur in Kombination mit Videos, Live-Formaten und Bewegtbild, denn wenn es nur um reines Bildmaterial geht, kann ich es ja auch wie gehabt als Email versenden und muss dafür keinen Instagram-Kanal inszenieren. Außerdem haben wir festgestellt, dass die App – im Zuge von COVID-19, aber auch den jüngsten politischen Ereignissen unter dem Hashtag #BlackLivesMatter – zunehmend zum ‚Educational’ Bereich wird.
Virtuelle Showrooms fand ich schon immer super spannend. – gerade weil es neu und aufregend ist, aber man ist nach wie vor eingeschränkt. Denn es fehlt noch das Persönliche, der Dialog, das Storytelling – gerade wenn Marken oder Produkte Erklärungsbedarf haben. Das heißt aber nicht, dass es sowas in der Zukunft nicht geben kann.

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Kurzes Briefing bevor das Team live geht. Foto: Press Factory

Du hast das Persönliche gerade angesprochen, was mich auf das Thema Kommunikation bringt. Sie ist jetzt das Bindeglied der Branche. Inwiefern muss sich aber auch die Kommunikation weiterentwickeln, um der Situation gerecht zu werden? Und welche Rolle nehmen PR-Agenturen darin ein?
Wir leben in einer wilden Zeit. In einer Gegenwart von Umbruch und Aufruhr – gesundheitlich, systematisch, klimatisch und sozial, und das auf globaler Ebene. Viele setzen daher gerade neue Weichen und Maßstäbe für die Zukunft. Damit rückt auch die Kommunikation ins Zentrum unseres Handelns. Wie ich Kommunikation gerade erlebe, hat sie eine gewaltige Kraft – auch durch soziale Medien. Sie fungiert als eine Art Waffe, die wahnsinnig viel Gutes, aber auch viel Schlechtes mit sich bringen kann.
Wir als Agentur sind im Bereich der Kommunikation der ‚Wingman’. Wir lotsen Unternehmen und Marken durch, gehen aber auch in den Dialog und fördern Haltung und entwickeln die richtige Kommunikation für und mit den Unternehmen. Die klassische Rolle der PR-Agentur als reiner Dienstleister ist vorbei und ohne 360°-Beratung in der Zukunft nicht überlebensfähig. 

Du erwähntest gerade, dass ihr auch die Haltung eines Unternehmens fördert. Wieso?
Es ist heute ganz wichtig, Haltung einzunehmen – das gilt auch für Marken. Viele haben die über Jahre hinweg angelernte Rolle beibehalten, nicht so viel Haltung zu zeigen und mit ihr auch bloß niemanden auf den Schlips zu treten. Doch diese Zeit ist vorbei. ‚Everybody’s Darling’ zu sein funktioniert nicht mehr und ist nicht mehr zukunftsfähig. 

Wie werden sich Treffen post-Corona von denen aus der Vergangenheit unterscheiden?
Ich glaube, dass wir aktuell eine Art globales, gesellschaftliches Trauma erleben. Man fasst sich nicht mehr an, geht auf Abstand, jeder ist verhalten und bedacht; dass wir uns so voneinander distanzieren, wird in unserem gesellschaftlichen Miteinander Folgen haben. 

Was sollte man jetzt auf keinen Fall aus den Augen verlieren?
Die Menschlichkeit. Denn meines Erachtens gibt es gerade nur zwei Parteien: Entweder du bist Teil der Lösung oder Teil des Problems. Was mich und somit auch die Agentur umtreibt, ist die grundsätzliche Veränderung des Wirtschaftssystems. Wir sind darauf trainiert, nach ewigem Wachstum, ewigem Leben und höchsten Konsum zu streben und ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Art und Weise, wie wir auf diesem Planeten leben und wirtschaften, von Grund auf ändern müssen.