Anita Tillmann:„Wir haben viel bewegt und viel erlebt“

Anita Tillmann
Frankfurt SkylineFoto: Frankfurt Fashion Week

Das Interview erschien in J’N’C News 3/20 vor Absage der Premium Group Veranstaltungen im Januar 2021.

Eine inklusive Fashion Week für B2B, B2C und B2P – das ist Anita Tillmanns Wunsch für die Frankfurt Fashion Week. Doch bevor es im Sommer 2021 in die Hessische Hauptstadt geht, steht der Abschied aus Berlin bevor – sofern die Pandemie es zulässt. Ob es einen Plan B gibt, das verrät uns die Managing Directorin der Premium Group im Interview.

Das Karussell dreht sich weiter und viele fiebern auf den Januar hin, aber bevor wir uns mit der Zukunft beschäftigen, würde ich von dir gerne wissen, wie euer ‚Premium + Seek Passport-Event bisher verlief?
Die Performance des Events ist mit dem Anspruch, ein digitales Events zu schaffen, das sehr stark auf dem kommunikativen Wert liegt, sehr gut gelungen: Ein Netzwerk von 200.000 Einkäufern wurde erreicht, über 20.000 Besuche verzeichnet und mehr als 80.000 Produkte verkauft.
Gerade unsere Brands, die auch aktiv ihre eigenen Netzwerke und Kommunikationskanäle involviert haben, konnten gute Erfolge erzielen. Der Kanal funktioniert nicht von alleine. Es ist vergleichbar mit der physischen Begegnung. Nicht jeder potentielle Kunde auf der Messe konvertiert direkt zum Käufer. Der Erfolg dieser Aktivierungen hängt von verschiedensten Faktoren ab und lässt sich nur bedingt sofort messen. Am Ende ist es für uns eine Bestätigung, dass es einfacher, befriedigender und schöner ist, jemanden in Person anzusprechen. Mit einer beeindruckenden Inszenierung, einem großartigen Produkt – und einem Lächeln! Der Ruf nach einem gemeinsamen, physischen Zusammenkommen der Industrie ist größer denn je.

Springen wir noch ein wenig zurück, genauer gesagt in den Juni, als die große Bombe platzte: Was hast du empfunden, als die News endlich draußen war und die Frankfurt Fashion Week in aller Munde?
Der Prozess wie man Veranstaltungsformate erdenkt und dann auch umsetzt, gehört zu unser Kernkompetenz. Wir haben schon viele Messen und Events veranstaltet – in Berlin, München, auch in Paris und NYC, insofern war der Vorgang routiniert.
Aber diese Botschaft hat große Wellen geschlagen. Für mich war es ein logischer Schritt, eine Notwendigkeit, die sich aus der Situation der Branche heraus ergeben hat. So wie wir 2002 die Entscheidung getroffen haben, die Premium nicht in Düsseldorf zu gründen und zu launchen, sondern eben an einem unverbrauchten Standtort wie Berlin. Damals war das Risiko allerdings sehr viel höher und wir hatten weder ein Standing im Markt, noch Erfahrung. Das ist jetzt natürlich ganz anders. Als die Pressemitteilung zur Frankfurt Fashion Week raus ging, war ich neugierig wie ein kleines Kind ob der Reaktion. Doch das Echo der Branche – national und international – war durchweg positiv und zustimmend, womit ich sehr zufrieden bin.

Anita Tillmann
Anita Tillmann Foto: Noris Kralj

In unserem letzten Interview sagtest du: „Wir gehen nicht, ohne uns zu verabschieden.“ Kannst du uns schon einen ersten Einblick geben, was das heißen wird oder ist es noch zu früh über Pläne, Events und Ausrichtung zu sprechen? 
Geplant war ein Rückblick auf die letzten 20 Jahre und ein Ausblick darauf, was das Netzwerk und die Branche in Frankfurt erwartet, wer die Player sind, etc. Eine Riesen-Party, denn wir hatten rückblickend wirklich viel Spaß. Wir haben große Erfolge gefeiert und aus Misserfolgen gelernt. Viele Brands sind bei uns entdeckt und groß geworden, die wären alle gerne gekommen. Wir haben viel bewegt und viel erlebt. Trotz allem kann derzeit nichts geplant werden. 

Dass viele sich auch bestürzt über den Abschied der Premium und Seek aus Berlin zeigten, deutet daraufhin, dass euer Format eine wichtige Säule für die Berliner Fashion Szene ist. Nun bist du ja nicht Anti-Berlin, sondern deiner Wahlheimatstadt gegenüber ja sehr wohl gesonnen. Welche Chancen ergeben sich vielleicht für die deutsche Modehauptstadt, wenn die Premium Group ab Sommer 2021 in Frankfurt agiert?
Wir bleiben mit unserem Office in Berlin und ziehen mit unseren Veranstaltungsformaten nach Frankfurt. Natürlich wird es Partner und Agenturen in Berlin geben, denen dadurch Aufträge entfallen – das fällt uns nicht leicht und tut mir leid. Trotzdem versuchen wir weiterhin unser Berliner Netzwerk so gut es geht zu aktivieren, neue Projekte zu starten. Es würde mich freuen, wenn in Berlin etwas entsteht, was zur Stadt und der lokalen Szene passt. 

Die Modebranche erfindet sich gerade neu – nicht nur in digitaler Hinsicht, auch wenn hier gerade Quantensprünge gemacht werden. Welche Entwicklungen beobachtest du mit besonders viel Aufmerksamkeit?
Die Digitalisierung ermöglicht es unserer Industrie, die Wertschöpfungsketten effizienter und transparenter zu gestalten. Da ist noch sehr viel Potential. Im nächsten Schritt muss es darum gehen und wir müssen eine oder mehrere Antworten finden, auf die Frage, wie wir die Branche nachhaltiger im Sinne von fairen Arbeitsbedingungen, Umweltverträglichkeit, etc. gestalten können. Genau das sind die Themen der FFW über all unsere Formate hinweg – applied digitization & applied sustainability. Hier treffen sich die Kernkompetenzen der Premium Group und die der Messe Frankfurt. Als Premium Group sind wir mit Premium, Seek und unserem Fashiontech Format Experten für Fashion und Digitalisierung. Die Messe Frankfurt steht für textile Expertise und mit der Neonyt für einen Nachhaltigkeitsschub. Das Wissen bringen wir zusammen und werden der Branche ein neu gedachtes Format präsentieren.  

An vieles hat sich die Branche kurzfristig gewöhnt und die Hoffnung stirbt ja bekannt zuletzt, dennoch schwebt die Unsicherheit wie ein Damocles Schwert über den Köpfen vieler. Hast du zum Schluss für unsere LeserInnen eine Botschaft, Kampfansage oder ein Mantra? Etwas, das dich das Licht am Ende des Tunnels erblicken lässt?
Veränderung beutetet immer auch Chancen. Dies stellt zwar in der aktuellen Situation eine noch größere Herausforderung für unsere Industrie dar als sonst, aber was wir aus der Krise mitnehmen ist ein neues Gefühl von Solidarität. Dies sehen wir als starken, positiven Impuls für alles was kommt. Genau das wollen wir auch in Frankfurt schaffen, eine inklusive Fashion Week für B2B, B2C und B2P, die neue Standards setzt und uns alle wieder nach vorne und näher zusammenbringt.

Weitere Informationen unter premiumexhibitions.com und seekexhibitions.com.