„Jetzt greift der Koalitionsvertrag für ein Lieferketten-Gesetz“, kündigte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) an, für das sich Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil vehement eingesetzt haben. Der Abschluss soll noch in dieser Legislaturperiode durchgeführt werden. Ziel ist es, eine faire Lieferkette gesetzlich vorzuschreiben, um die globale Ausbeutung von Mensch und Natur zu verhindern, denn an das gute Gewissen zu appellieren, reiche einfach nicht aus. Doch um weltweiten Wandel herbeizuführen, müssen vorab nationale Gesetze und eine EU-weite Regelung in Kraft treten.
Weniger als 50 Prozent kommen ihrer Sorgfaltspflicht nach
Die nun vom Interministeriellen Ausschuss der Bundesregierung veröffentlichten Ergebnisse zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte belegen das: 7.300 größere deutsche Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden müssen zeigen, wie sie Menschenrechte und soziale Mindeststandards in ihren Wertschöpfungsketten sicherstellen. Von den rund 2.250 in der zweiten Fragerunde befragten Unternehmen haben allerdings nur 455 Unternehmen gültige Antworten zurückgemeldet. Ein Ergebnis, das zeigt, dass deutlich weniger als 50 Prozent ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachkommen. Die Gruppe der ‚Erfüller’ hat sich im Vergleich zur Unternehmensbefragung 2019 in ihrer Größenordnung nicht maßgeblich verändert. Damit wird die nötige Quote zur Erfüllung klar verfehlt.
Fairer Handel in globalen Lieferketten
„Die Ergebnisse der zweiten Unternehmensbefragung sind erneut enttäuschend“, so Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller. „Zur Verwirklichung von Menschenrechtsstandards, die entlang der Lieferketten Kinderarbeit ausschließen und grundlegende ökologische und soziale Mindeststandards sichern, brauchen wir jetzt einen gesetzlichen Rahmen, so wie im Koalitionsvertrag festgelegt. Die Wirtschaft ist eingeladen, sich offen und konstruktiv in den Prozess einzubringen. Fairer Handel in globalen Lieferketten ist der wichtigste Schlüssel für Entwicklung, die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Schutz der Umwelt in den Entwicklungsländern. Die Ausbeutung von Mensch und Natur sowie Kinderarbeit darf nicht zur Grundlage einer globalen Wirtschaft und unseres Wohlstandes werden. Das wäre ein Bumerang, der auf uns zurückschlägt. Unser öko-soziales Wirtschaftsmodell kann Vorbild für eine globale Wirtschaft sein.“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fügt hinzu: „An der Verantwortung für Menschenrechte führt kein Weg vorbei. Dass Freiwilligkeit nicht ausreicht, zeigen die Ergebnisse unserer Umfrage. Wir brauchen ein nationales Gesetz, um auch für fairen Wettbewerb zu sorgen. Das Lieferketten-Gesetz wird nur verlangen, was machbar und verhältnismäßig ist. Und es schafft Rechts- und Handlungssicherheit für die Unternehmen.“
Unterstützung aus Wirtschaft und Gesellschaft
Breite Unterstützung für eine gesetzliche Regelung erhält das BMZ aus der Wirtschaft und Zivilgesellschaft: Mehr als 60 renommierte Unternehmen fordern ein Lieferkettengesetz, darunter Tchibo, Rewe, Nestlé und Alfred Ritter (Ritter Sport). Auch halten über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen ein Gesetz für erforderlich. Und mit einer Petition fordern 200.000 Bürgerinnen und Bürger ein Lieferketten-Gesetz für Deutschland.
Auch der Rat für nachhaltige Entwicklung empfiehlt der Bundesregierung eine Vorreiterrolle Deutschlands bei der europäischen Gesetzgebung einzunehmen. Dazu müssten jedoch Eckpunkte für eine Lieferkettengesetzgebung in Deutschland verabschiedet werden. Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft setzt sich die Bundesregierung zudem für einen EU-Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten ein, der menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards und Transparenz fördert und den Erfahrungen der COVID-19-Pandemie Rechnung trägt. Die EU-Kommission plant darüber hinaus eine Gesetzesinitiative für 2021. Ein nationales Umsetzungsgesetz wird Deutschland dann in jedem Fall brauchen.
Gegenüber der TM Textilmitteilungen sagte Dr. Gerd Müller: „Die Corona-Krise ist auch ein globaler Weckruf für mehr Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit. Unternehmen, die auf langfristige Lieferbeziehungen statt auf Fast Fashion setzen, kommen besser durch die Krise.“ Eine These, die über Gesetzesregelungen hinaus, hoffentlich zu mehr Umdenken führt.