Ein Stück Blaustoff (Herrlicher), ein Stück Unternehmensgeschichte

Erwin O. Licher
Foto: Nicholai Fischer für J'N'C News

Seit den Sechzigern ist Erwin O. Licher im Modebusiness. Er ist vom Verkäufer zum Unternehmer geworden und scheut keiner Herausforderung – weder in seinen unternehmerischen Anfängen noch heute. „Entweder wir setzen uns in Portugal zur Ruhe oder wir gründen eine weitere Marke“, fragte er 2004 seine Frau. Kurze Zeit später startete er ‚Herrlicher‘ als Denim-Label. Heute ist das Unternehmen längst ein erfolgreicher Men’s- und Womenswear-Anbieter mit Umsätzen im zweistelligen Millionenbereich. Was ihn anspornt auch mit 77 noch immer voller Optimismus weiterzumachen und warum ihm das O. im Namen wichtig ist, erzählt er uns im Interview.

Lieber Erwin, in den vergangenen 20 Jahren hat sich Herrlicher beeindruckend weiterentwickelt. Kannst du uns mehr über die Anfänge der Marke und deinen Einstieg in die Modebranche erzählen?
Bevor ich auf Herrlicher eingehe und auf das, was dir Marke mir bedeutet, muss ich etwas in meine Vergangenheit eintauchen. Aufgewachsen bin ich in Hessen. Ich habe in Gießen in der Licherstraße gelebt. Lustigerweise lautet mein Nachname Licher – Zufall oder nicht, der Kreis schließt sich nun mit meiner Marke ‚Herrlicher‘, aber bis dahin sollte es ein ereignisreicher Weg werden. Schon im Alter von 15, 16 Jahren habe ich mich anders gekleidet als meine gleichaltrigen Freunde. Die Mode, die damals aus England kam, hat mich besonders begeistert. Damals habe ich eine Lehre als Modellschlosser absolviert – das war in den Sechzigern. Die Modebranche hat mich in ihren Bann gezogen, als ich bei einem Freund, der aus dem Auto heraus ‚Donovan Jeans‘ aus Paris verkauft hat mitgefahren bin. Damals habe ich mich für drei Tage krankschreiben lassen, um ihn zu begleiten. Mein Entschluss stand danach fest: Ich mache mich selbstständig und so bin ich fortan mit einem alten, abgeschmirgelten und blau lackierten Lieferwagen durch Bayern gefahren und habe Jeans aus Paris an Textil- und Einzelhändler:innen verkauft, teilweise in Fußgängerzonen. Kaltakquise war das. Ich habe so oft den Spruch gehört: „Sag mal, sind die Jeans eigentlich geklaut?“ Witzigerweise gehörte das Wort ‚Jeans‘ zu dem Zeitpunkt noch nicht zum normalen Sprachgebrauch der Leute. Nur die wenigsten konnten ‚Jeans‘ überhaupt aussprechen. Inspiriert von meinen damaligen Kund:innen habe ich mir gesagt „so eine Boutique kannst du auch eröffnen“ und so wurde ich mit der ‚Jeans Ecke‘ in Gießen vom Straßenverkäufer zum Vollblut-Einzelhändler. Mein zweiter Laden ‚Die große Jeansecke‘ folgte bald darauf. Das lief dann 17 Jahre so weiter.

Herrlicher
Foto: Nicholai Fischer für J'N'C News

Du bist also vom Straßenverkäufer zum Einzelhändler geworden. Wie wurdest du dann einer der bekanntesten Modeunternehmer Deutschlands?
Wenn ich damals vor dem so genannten ‚langen Samstag‘ nach Paris zum Einkaufen fuhr, habe ich meinen Kund:innen immer genau das mitgebracht, von dem ich dachte: Das gefällt ihnen. Langer Samstag hieß automatisch neue Ware – und diese war dann auch stets mit Bedacht ausgewählt, was natürlich zu guten Umsatzzahlen führte. Das ist aufgefallen und ich wurde gefragt, ob ich nicht den Vertrieb von ‚Pash-Jeans‘übernehmen wolle.Das habe ich dann gemacht. In Italien in der Stofffabrik habe ich dann diese übrig gebliebenen Stoffrollen gesehen und mein ‚Einzelhändlerkopf‘ hat sofort geschaltet: Meine Kund:innen suchen immer nach dem und dem, aus dem übrigen Stoff könnten wir ja dieses und jenes fertigen lassen. Ich war natürlich kein gelernter Designer, hatte aber ein Verständnis und ein Gespür für den Markt. Also wurde ich kurzerhand zum Kollektionsmacher für Pash. Ende 1992 kündigte ich. 1993 gründete ich meine erste eigene Modemarke: Freeman T. Porter. 

Der Name hinter der Marke ist dabei nicht irgendein Fantasiename, es steckt eine persönliche Geschichte dahinter. Kannst du uns diese erzählen?
Bei Pash ist mit immer wieder aufgefallen, dass Kund:innen mich gefragt haben, wofür der Name eigentlich steht und ob er eine Bedeutung habe. Die recht unbefriedigende Antwort lautete immer ‚nein‘. Mir war also schon immer klar, dass eine Marke auch immer eine Geschichte oder einen Ursprung haben muss. Damals mit 33 lernte ich meinen leiblichen Vater kennen. Einen Amerikaner, der in St. Louis, im Bundesstaat Missouri lebte. Sein Name: Freeman Tuney Porter. Ich mochte es damals schon, dass viele Amerikaner ihren Zweitnamen mit einem Buchstaben abkürzen, wie beispielsweise John F. Kennedy. Aus Freeman Tuney Porter wurde also Freeman T. Porter und aus mir wurde fortan Erwin O. Licher.

Herrlicher
Foto: Nicholai Fischer für J'N'C News

Ein neuer Name, eine neue Marke – wie ging es dann weiter und wann entstand die Idee zu Herrlicher? – Ebenfalls ja einer Namensschöpfung mit persönlichem Bezug.
Für Freeman T. Porter habe ich mir damals das Image von Stüssy und den Umsatz von s.Oliver erhofft – ambitionierte Ziele, die sich am besten mit einem Partner erreichen lassen. Diese Geschäftspartnerschaft dauerte dann elf Jahre. Irgendwann fehlte dann eine höhere Summe Geld, ganze 18 Millionen Euro. Mit der Hilfe eines guten Anwalts kam eine Nachzahlung auf mich zu und plötzlich hatte ich extra Kapital. Ich fragte meine Frau Christine nach ihrer Meinung: „Gehen wir nach Portugal und machen uns dort ein schönes Leben oder gründen wir noch eine Marke?“ – 2004 war Herrlicher geboren.

Lesen Sie das gesamte Interview auf Englisch in unserer aktuellen Ausgabe der J’N’C News nach.