5 Fragen an Jeanne de Kroon, Gründerin von Zazi Vintage

Zazi Vintage
Jeanne de Kroon, Gründerin von Zazi VintageFoto: Presse

2016 hat Jeanne de Kroon ihr Label Zazi Vintage gegründet und steht damit nicht für Eco & Fair Fashion, sondern auch für Female Empowerment. De Kroon hat einen sehr individuellen Ansatz für ihre Brand gefunden, indem sie sich saisonalen Kollektionsrhythmen komplett entzieht. Ja, man muss fast schon von Projekten sprechen, denn die einzelnen Kollektionskapseln von Zazi entstehen in enger Zusammenarbeit mit NGOs oder auch der UN. Das Design der Kapseln stützt sich auf das jeweilige traditionelle Handwerk der ausgesuchten Region. Female Empowerment deshalb, weil Jeanne de Kroon fast ausschließlich mit Frauen kooperiert, um sie einerseits in ihrer Arbeit und ihrem Selbstverständnis zu unterstützen – aber auch um Sichtbarkeit zu schaffen. Wir haben mit de Kroon über ihre Inspiration, Motivation und ihr starkes Engagement für Frauen gesprochen.

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Was hat dich motiviert, eine Fashion Brand zu gründen, die diesen außergewöhnlichen Ansatz von Fair Fashion und Female Empowerment verfolgt?
Für mich beginnt die Geschichte der Mode mit der Geschichte ihrer Macher:innen. Hinter fast allen Kleidungsstücken steht eine Geschichte einer Frau und eine Geschichte über unsere Beziehung zur Natur. Ursprünglich standen wir alle mit den Frauen, die unsere Kleidung in unserer eigenen Gemeinschaft hergestellt haben, in Verbindung. Aber die Modeindustrie, so wie sie jetzt ist, hat den Blick von der Herstellerin auf das Model verlagert. Angestoßen durch diesen Prozess, ist unsere inhärente Verbindung zum Ursprung des Materials, der Geschichte hinter dem Stoff, abhandengekommen. Wir haben vergessen, Leinen mit dem Erblühen der Leinsamenfelder im Frühling zu verbinden. Oder auch Polyester mit der Gewinnung von Öl in indigenen Gebieten zu assoziieren. Ich glaube, dass die nachhaltige Revolution eine verbindende Revolution ist und die Veränderung mit Marken einhergeht, die wahres Storytelling über die Hintergründe ihrer Kleidungsstücken betreiben. Mode kann erst dann nachhaltige werden, wenn wir wirklich bereit sind, uns mit der jeweiligen Geschichte der Mode auseinanderzusetzen und in Kontakt zu kommen.

Das Narrativ neu schreiben

Mit Zazi hoffe ich, das derzeitige Narrativ der ‚Bekleidungsarbeiter:innen‘ abzuschaffen und stattdessen die Schöpfer:innen und Geschichtenerzähler:innen hinter der Kleidung als die wahren Superstars zu feiern. Die Magie eines jeden Kleidungsstücks findet sich in der Geschichte rund um die Hände, die es hergestellt haben. Die Hände, die das Garn sanft verweben, so wie sie ein neugeborenes Baby mit Sorgfalt und Liebe nähren. Ich schätze, was mich inspiriert hat, war – während meiner sehr erfolglosen Modelkarriere – die Liebe zur Mode zu verlieren und mich wieder in die Mode zu verlieben, indem ich die Frauen kennenlernte, die sie gemacht haben.

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Zuletzt hast du mit Zazi Afghan Coats umgesetzt. Dafür hast du mit der UN-Initiative für ethische Mode kooperiert und in Samina Ansari eine Art Botschafterin für das Projekt gewinnen können. Afghanistan war in den 60er und 70er Jahren Teil des sogenannten Hippie-Trails – der Überlandroute, auf der Hippies von Europa nach Südostasien reisten. Wie viele andere traditionelle Kleidungsstücke ist auch der afghanische Mantel zu einem Markenzeichen der damaligen Alternativkultur geworden. Sicherlich sollte der Hippie-Trail nicht nostalgisch verklärt werden, aber es ist zweifellos unvorstellbar, dass Afghanistan über 40 Jahre lang vor allem als Kriegs- oder Risikozone gesehen wurde. Die Kollektion aus Afghanistan wirft ein anderes Licht auf das Land und auch hier stehen die Frauen im Mittelpunkt der Produktion. Wie kam die Zusammenarbeit zustande? Und welche positiven Effekte ergeben sich daraus?
Ich arbeite für Zazi Vintage nun schon seit fünf Jahren mit den unglaublichsten Handwerkerfamilien zusammen. Das alles begann mit einer zufälligen Begegnung, die ich in Indien mit einer afghanischen Familie hatte, die dafür bekannt ist, die besten Kollektionen im Stil von sogenanntem Seidenstraßen-Vintage herzustellen. Als wir 2018 eine Partnerschaft mit der UN Ethical Fashion Initiative eingingen und dadurch gemeinsam an mehreren Projekten arbeiteten, hat sich entfaltete allmählich unsere Verbindung zu Afghanistan entfaltet. Im Rahmen der Koop mit der UN standen die Frauen und ihre jeweilige Geschichte im Fokus, was wir durch die Stoffe und Fotoarbeiten hervorgehoben haben. Wir haben mit von Frauen geführten afghanischen Sozialunternehmen wie Zarif zuammengearbeitet, ebenso wie mit afghanischen Fotograf:innen, die dafür bekannt sind, die Geschichten der Frauen festzuhalten – beispielsweise Farzana Wahidy. Und mit jedem Schritt, den wir in der Region machen, scheinen sich mehr weibliche Kreative angeschlossen zu haben.
Aber das Schönste daran war, mit dem afghanischen Team eine andere Perspektive von Afghanistan zu zeigen. Die Darstellung Afghanistans ist in unseren westlichen Medien sehr begrenzt, da sie entweder die Vergangenheit zelebriert oder von Krieg und Katastrophen berichtet. Dabei existieren so viele junge Afghan:innen mit Visionen für die Zukunft. Für mich war es geradezu eine Ehre, mit diesen jungen Kreativen zu arbeiten, die mit Hilfe ihrer Kunst ein neues Narrativ in einem Land voller Handwerk, Kultur und Geschichte schreiben.

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In Berlin unterwegs: Jeanne de Kroon in einem Afghan Coat. Foto: Presse

Die Kollektionsstücke von Zazi sind luxuriöse Modestücke, die in einer Umgebung konsumiert werden, die – nicht nur räumlich – sehr weit von dem entfernt ist, wo die Kleidungsstücke kreiert werden. Empfindest du das manchmal als widersprüchlich?
Zazi ist mittlerweile zu einer internationalen Frauen-Community geworden – oder wie ich es gerne nenne: ein Club der Freundinnen. Ob das nun eine Frau aus Kolumbien ist, die zum ersten Mal einen Bezug zu Usbekistan hat, indem sie ein mit regionalen Zwiebeln gefärbtes Saida-Kleid trägt. Oder eine Person aus Deutschland, die sich zum ersten Mal mit Afghanistan connected, indem sie sich in die Geschichte des Afghan Coats Mantel verliebt. Für mein Empfinden ist das überhaupt nicht widersprüchlich, sondern eher wie ein globales Zelebrieren weiblicher Kreativität.

Übrigens: Herzlichen Glückwunsch! Zazi Vintage gibt es jetzt seit fünf Jahren. Und du hast bereits mit vielen verschiedenen NGOs und Herstellern zusammengearbeitet. Wie entscheidest du, welches Projekt du umsetzen möchtest? Und was können die Kooperationen langfristig zur Verbesserung der Frauen in den jeweiligen Regionen beitragen?
Ich glaube, das Wichtigste – wenn man mit weiblichen Communitys arbeitet – ist, dass es sich nicht um eine einmalige Zusammenarbeit handelt, sondern um ein langfristiges Engagement. Es ist schön zu sehen, wie die Projekte, mit denen wir angefangen haben, langsam gewachsen sind. Die meisten Projekte, mit denen wir zusammenarbeiten, sind uns entweder durch die EFI (Ethical Fashion Initiative) vermittelt worden. Oder ich bin auf dem Weg meiner persönlichen Reisen und auch meiner persönlichen Entwicklung mit ihnen in Verbindung getreten.
Wie meine Partnerin Madhu Vaishav von den Saheli-Frauen zu sagen pflegt: Wenn man eine Frau stärkt, stärkt man die ganze Familie, die Gemeinschaft, das Land und die globale Gesellschaft.

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Ich habe gehört, dass du für 2021 eine Kollektion mit Nina Gualinga planen, die sich für die Rechte der indigenen Völker in Ecuador einsetzt. Worum geht es da genau? Und wann können wir die Kollektion erwarten?
Es wäre mein absoluter Traum, mit meiner Freundin Nina und der Initiative Mujeres Amazonicas zu arbeiten, aber wir haben uns noch nicht weiter abgestimmt. Wir werden aber bald ein paar sehr spannende Projekte in Ghana, Indien und mit einigen Weberinnen aus den Bergen starten.
Dazu gehören auch zwei Schwestern, die auf natürliche Weise upgecycelte Seide mit Blumen färben, die sie in Tempeln finden. Ebenso wie eine regionale Gruppe von Weberinnen in Ghana, die zukünftig unsere Markttaschen weben. Außerdem haben wir eine ganz besondere Geschichte in Planung, die diesen Sommer auf den Markt kommen wird – die Zazi-Familie wächst weiter.