Taipei Fashion Week – Nachhaltigkeit und Vernetzung der Modeindustrie

Model trägt Just In XX.
Opening Fashion Show im Nankunshen-Daitan Tempel, u. a. mit Just In XX.Foto: Presse

Vor ein paar Tagen endete die nun im sechsten Jahr stattfindende Taipei Fashion Week. Wobei man von einer Modewoche zeitlich betrachtet, nicht sprechen kann, da sich die Events großzügig auf fast drei Wochen verteilten. Eines der Hauptanliegen der Veranstalter:innen war, einen Dialog zwischen traditioneller Darbietung, Handwerkskunst und Mode zu ermöglichen, was ihnen mit Bravour gelungen ist.

Model in hellblauem Minirock und weißer, gerüschter Bluse auf dem Laufsteg
Designerin Liyu Tsai präsentierte in der Bibliothek der Shih Chien Universität. Foto: Presse

Zwischen Tradition & Innovation

Die recht junge Fashion Week mag dem Fachpublikum im Meer der Modewochen noch eher unbekannt sein, allerdings ist die Region Taiwan in der Modeindustrie keine Unbekannte, im Gegenteil, wird hier seit Jahrzehnten Funktionskleidung hergestellt. Das aktuelle Anliegen der Organisator:innen ist daher, ihre Textilindustrie mit den lokalen Modedesigner:innen zu vernetzen, um, wie sie sagen, weg von verstaubter Funktionskleidung hin zu modischem Design zu gelangen. In diesem Zusammenhang kann sich Taipeh dem Thema Nachhaltigkeit – glücklicherweise – nicht entziehen, daher liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Funktionalität und Vielfalt.

Opening der Taipei Fashion Week in einem Tempel.
C Jean zeigte die Kollektion im Rahmen der Opening Show. Foto: Presse

Taipei Fashion Week – Die Locations

Die offizielle Opening Show der Fashion Week fand nicht in Taipeh statt, sondern in der geografisch entfernten, aber imposanten Kulisse des Nankunshen-Daitan Tempels. Sieben Labels – Tangtsungchien, Just in XX, Bob Jian, C Jean, Gioa Pan, Wie Tzu-Yuan und Yenline – integrierten in ihre Shows Elemente wie klassische Musik, traditionelle Oper, Schattentheater oder Malerei, was die insgesamt 70 gezeigten Looks besonders zur Geltung brachte. Die Eröffnung verstand sich als Ergänzung zu den Shows am Hauptveranstaltungsort, dem Songshan Culture and Creative Park in Taipeh. Dort zeigten: eine Modenschau für nachhaltige Mode, dreizehn Band-Shows – darunter eine New Breed-Show mit drei jungen talentierten Designer:innen – und drei schulübergreifende Veranstaltungen für Studierende von sieben Modedesignschulen wie beispielsweise der renommierten Shih Chien Universität, die erfolgreiche Absolvent:innen wie Douchanglee und Angus Chiang hervorgebracht hat. Die Bibliothek der Shih Chien Universität wählte Liyu Tsai als Offsite Location und Gio Pan schloss die Fashion Week dann passend bei Sonnenuntergang am Fisherman’s Wharf in Neu-Taipeh ab.

Kollektionsteile auf dem Runway von Just In XX.
Justin Yu-Ying Chou und einige Kollektionsteile seiner Brand Just In XX. Foto: Presse

High Fashion von Just in XX

Justin Yu-Ying Chou, der in Europa studiert hat, ist der kreative Kopf hinter der Marke, die er in den späten 90er Jahren gründete. Er ist der erste taiwanesische Modedesigner, der auf der New York Fashion Week vorgestellt wurde. Vogue Italia ernannte ihn zu einem der Best of Talents 2020 der NYFW und er entwarf die Uniform der Olympiamannschaft für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2021 in Tokio. Er hat sich darauf spezialisiert, High Fashion mit taiwanesischer Handwerkskunst zu kombinieren und wurde von den Medien als Genie für Crossover-Designs gefeiert. Justin gilt als der begehrteste führende taiwanesische Designer für globale Marken wie Nike, Uniqlo und Levi’s. Die Kollektion, die er bei der Eröffnungsshow im Nankunshen Daitian-Tempel in Tainan präsentierte, ist inspiriert durch Lieblingsmangas von Schüler:innen in Kombination mit Tempelmalereien. Das Ergebnis ist eine Kollektion mit einem schrulligen und lustigen Street-Punk-Stil gepaart mit Elementen der traditionellen Oper – eine Manifestation der Koexistenz von Sportmode und Tempelkunst.

Drei Outfits von Designerin Claudia Wang.
Claudia Wang thematisierte Feminität in ihrer Kollektion. Foto: Presse

To be explored: Claudia Wang

Claudia Wang gründete ihre gleichnamige Brand im Jahr 2020. Ihre Mode ist geprägt von satten und kräftigen Farben, die sie gekonnt zu kombinieren weiß. Die Anwendung von 3D-Technologie nutzt sie, um ein künstlerisches Totem und eine virtuelle Show zu kreieren. Das Thema der auf dem Laufsteg präsentierten Kollektion Civilization of Love impliziert Inklusivität und Diversität. Darüber hinaus transportieren die von Wang ausgewählten Farbkompositionen ein ausdifferenziertes Storytelling: Rosé steht traditionell für eine fragile Feminität, und wird in der neuen Kollektion von gegensätzlichen Tönen durchbrochen, um ein Gegenwicht zum gängigen Narrativ zu erzeugen. Die Harmonie von Yin und Yang wiederum manifestiert sich durch die Farbauswahl. Schnitte und Silhouetten sind ausladend. Die dekonstruierten Schnitte interpretieren Körperformen neu und sind nicht an Normgrößen gebunden. Darüber hinaus steht die Kollektion mit ihren fantasievollen, übergroßen augen- und herzförmigen Blumenpattern für das Erkunden und Erforschen der Erde.
Übrigens: Um den Labels zu helfen, ihre Märkte zu erweitern, wurde in dieser Saison der Taipei Fashion Week Shop im Far Eastern SOGO Department Store Fuxin Branch eingerichtet, in dem über 40 taiwanesische Modemarken aus verschiedenen Segmenten angeboten werden.

Plateau-Chucks vor der Kulisse des Tempels.
Plateau-Chucks von Just In XX. Foto: Presse

Ein Drahtseilakt

Als eingeladener Besucher, der mit Langstreckenflug anreist, stellt es in gewisser Weise einen Drahtseilakt dar, über nachhaltige Aspekte zu berichten. Generell schleicht sich beim Thema nachhaltige Mode schnell der Gedanke ein, dass ein Verzicht auf eine Modenschau in klimatisierten Räumen den größten Beitrag zu Nachhaltigkeit darstellen würde. Auch die Menge an unzähligen Goodie Bags wirft Fragezeichen in den Raum. Ohne sich in Definitionen zu verlieren, ob es bei Nachhaltigkeit primär um das wirtschaftliche Überleben, die Verwendung ökologischer Materialien, die Einhaltung sozial gerechter Standards oder letztlich um eine Mischung aus allem geht, ist es dennoch wichtig darauf hinzuweisen, dass es in Zeiten des inflationären Gebrauchs des Begriffs Nachhaltigkeit mitunter große Unterschiede in der Interpretation gibt.

Modenschau mit nachhaltigen Styles.
DYCTEAM, eines der Brands, die an der Sustainable Collection Show teilnahmen. Foto: Presse

Sustainable Collection Show

Eine wichtige Säule der Taipei Fashion Week war das Thema Nachhaltigkeit – im Zentrum: Dycteam, Oq-Liq, SYZYGY, PCES, Weavism und UUIN sind die sechs Brands, die in Kooperation mit acht taiwanesischen Textilherstellern an der Sustainable Collection Show teilnahmen. Produzenten wie Li Peng Enterprise und Formosa Taffeta hatten Stoffe entwickelt, aus denen die Labels für die Fashion Shows durchaus kommerzielle Kollektionsteile designt haben. Es ist gewiss ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings muss man einräumen, dass die nachhaltigen Aspekte und Attribute der Materialien nicht im Detail zu recherchieren waren. Reiting Lee, Expertin für nachhaltige Mode und interkulturelle Kommunikation, erläuterte, dass die taiwanesische Textilindustrie sehr anpassungsfähig sei und mit Hilfe ihrer qualifizierten Textilingenieur:innen das erforderliche Maß an Innovation mit Bravour zu meistern in der Lage sei. Und natürlich liegen die Herausforderungen der Modeindustrie auf globaler Ebene, daher gilt es, die Kräfte zu bündeln und das Thema Nachhaltigkeit gemeinsam voranzutreiben. Im Ergebnis können schließlich alle Märkte davon profitieren.

Mehr Informationen unter tpefw.com.