Zwischen Resignation und Zuversicht – Ein Jahr Corona

Illustration von Mann mit Mundschutz gegen Corona
Foto: United Nations, Unsplash

Erinnern Sie sich noch daran, wie es für Sie war, als vor fast einem Jahr der erste Lockdown hierzulande in Kraft trat? Damals wurden maximal zwei Wochen angekündigt. Am Ende wurden daraus insgesamt fast drei Monate, aber man war mit solch einer Situation eben noch nicht so vertraut wie heute – nach über zwölf Monaten Corona, inmitten des zweiten harten Lockdowns und Corona-Schutzimpfungen. Heute mischt sich die Vernunft mit Verzweiflung und eine dritte Infektionswelle scheint nicht unwahrscheinlich. Was wir gelernt haben, was wir noch lernen müssen und wie 2021 nach aktuellem Stand werden könnte.

#CoronaThrowback

Am 27.01.2020 wurde der erste deutsche Coronafall bekannt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sich jedoch noch niemand ausmalen, was darauf folgen würde: Hygienemaßnahmen, Kontaktbeschränkungen, die zunächst als Empfehlung statt Verpflichtung galten, Abstandsregeln, Homeoffice, Maskenpflicht, geschlossene Schulen und Kitas, geschlossene Gastronomie, Kulturstätten, Kosmetik-, Fitness- und Tattoostudios sowie ein vollständig geschlossener Einzelhandel.
Am 22. März 2020 trat der erste Corona-Lockdown in Deutschland offiziell in Kraft. Das Virus müsse eingedämmt werden. Dafür hielt man zwei Wochen für angemessen. Doch im April wurden die Beschränkungen bis in den Mai hinein verlängert und – bis auf einige Ausnahmen – vom Mai bis zum 15. Juni fortgeführt.  
Im Sommer kehrte dann Stück für Stück so etwas wie Normalität zurück, sodass bei vielen Zuversicht für die darauffolgenden Herbst-/Winter-Monate aufkeimte. Auch die Kalkulation für den realen Bedarf an Desinfektionsmitteln, Mehl, Nudeln oder Toilettenpapier schien wieder Sinn und Verstand zu haben. Doch Experten warnten vor einer zweiten Welle im Herbst.

Illustration zur Corona Pandemie
Foto: United Nations, Unsplash

Folgt nun ein dritte Welle?

Sie sollten Recht behalten. Und auch jetzt warnen sie erneut – vor einer dritten Welle. Aber im nunmehr zweiten harten Lockdown, der seit dem 16. Dezember 2020 gilt, scheinen viele nicht nur abgestumpft, sondern schlichtweg Corona-müde. Bereits am 02. November 2020 wurde der Light Lockdown unter anderem für Gastronomie, Kultur und Freizeit verhängt, aber da schien noch alles halb so wild. Seit fast vier Monaten ist der Einzelhandel nun geschlossen. Zig Schicksale stehen vor den Trümmern ihrer Existenzgrundlage.
Als bekannt wurde, dass Friseure ab dem 01. März wieder öffnen dürfen, der Einzelhandel aber nicht, war das Unverständnis groß. Doch seit dem 08. März 2021 gelten erste Lockerungen auch für den textilen Einzelhandel. Ein Aufatmen, nach langem Luftanhalten. Doch bereits wenige Tage später befinden wir uns erneut auf Kurs in Richtung Not-Lockdown. Die Zahlen steigen und – der Mutation sei Dank – drohen in eine dritte Welle zu münden, die laut Experten mindestens auf ein Weihnachts-Niveau-2020 wachsen könnte. Das würde abermals verschlossene Türen für Gartencenter, Baumärkte, Kosmetikstudios und ja, auch Click & Meet-Konzepte bedeuten.  

Das Verständnis, das Vertrauen und die Zuversicht sinken. Der Unmut aber, das Konfliktpotenzial steigen. Der Bundesregierung bleibt nur noch an die Vernunft und Vorsicht zu appellieren, haben sie viel von ihrem Vertrauen verspielt. Denn nach einem Jahr Corona müssen wir in der Tat lernen, mit dem Virus zu leben. Die Konzepte von vor einem Jahr greifen da nicht mehr. Es müssen andere Lösungen her. Andere Parameter in Betracht gezogen werden. Hendrik Streeck, Professor für Virologie, sagte in einem TV-Interview des ZDF, dass die Pandemie ein Marathon sei und schlägt vor, nicht branchenspezifisch zu öffnen, sondern den Menschen und Unternehmen die Möglichkeiten zu geben, ihre Bereiche zu öffnen, die mitdenken und die besten Hygienekonzepte haben. 

Lockdown Schriftzug Corona
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Reality-Check des BOF – Deutschland schneidet europaweit noch am besten ab ab

Immerhin gehört die Modebranche zu den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen. Laut des Business of Fashion ‚State of Fashion 2021: Reality Check’ liegen die Umsätze in der europäischen Modebranche etwa 20 Prozent unter dem Niveau von 2019. Deutschland und Frankreich schnitten mit einem Rückgang von nur 16-18 Prozent gegenüber 2019 am besten ab, während die Umsätze in Spanien, Italien und einigen osteuropäischen Ländern um verheerende 30 Prozent zurückgingen. In Deutschland lag der Umsatz im dritten Quartal nur etwa 13 Prozent unter dem Niveau von 2019, wobei die Nachfrage in den Spitzenwochen im Sommer sogar die des Vorjahres erreichte.
Zalando ist ein Beispiel für den Gewinn innerhalb des E-Commerce Segments: Allein im dritten Quartal 2020 konnten sie drei Millionen Neukunden gewinnen und den Bruttowarenwert (GMV) im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent steigern. Dennoch: Auch wenn die Fashionbranche in der Krise durchaus digitale Chancen ergriff, ist die Abhängigkeit vom stationären Handel schmerzlich offensichtlich. (Stichwort: ‚Handeln für den Handel’). Jede weitere Schließung als Folge des Lockdowns reißt eine klaffende Wunde in die Innenstädte, die weitreichende Folgen bis über die Pandemie hinaus haben wird. Ein Lockdown bis Ostern, so der ‚Reality Check’, würde die Umsätze dieses Jahres auf das Niveau von 2020 zurückfallen lassen, oder noch schlimmer, wenn es in der zweiten Jahreshälfte zu weiteren Rückschlägen kommt. Würde eine Wintersaison folgen, in der die Pandemie noch nicht vollständig eingedämmt ist, würde sich die Erholung auf das Vorkrisenniveau sogar bis weit ins Jahr 2023 verschieben.

Corona Impfstoff
Foto: Daniel Schludi, Unsplash

Was wird 2021 noch alles bereithalten?

Wie Virologe Streek schon sagte: Die Pandemie ist ein Marathon, der bereits 2020 begann und sicherlich noch längst nicht zu Ende gelaufen ist. Ausdauer, Anpassungsfähigkeit, Wachsamkeit und eine gute Portion Optimismus bleiben daher wichtige Säulen, um auch durch dieses Jahr mit möglichst wenig Kollateralschäden zu kommen. Noch längst haben wir nicht ausgelernt. Dieses Jahr heißt es noch einmal gemeinsam (!) notwendige und sinnvolle Konzepte zu erarbeiten und Solidarität neu zu denken. Einer für alle und alle für einen? Vielleicht sollte ein neues Teammotto her. Eines, das diejenigen abholt und belohnt, die sich aktiv an einer Verbesserung beteiligen und zum Fortschritt beitragen. Jene nach vorne treten lässt, die ein Leben mit dem Virus möglich machen, aber keine Infektionsgefahr darstellen. Die Politik muss natürlich mit gutem Beispiel vorangehen und darauf vertrauen, dass eine Mehrheit nicht blind in den neuen Alltag zurückkehren möchte, sondern mit Voraussicht, mit Hygienekonzepten und mittel- bis langfristig erdachten, verantwortungsbewussten Maßnahmen. Soweit die Theorie: Am 22. März 2021 berät sich Bundeskanzlerin Angela Merkel übrigens mit den Ministerpräsidenten, um sich mit ihnen über das weitere Vorgehen zu beraten.