Preloved deluxe – 5 Fragen an Dounia Wone von Vestiaire Collective

Portrait Dounia Wone von Vestiaire Collective
Dounia Wone, Chief Sustainability und Inclusion Officer von Vestiaire Collective.Foto: Presse

Preloved, Resale, Second-Hand – wie man es auch nennen mag, der Weiterverkauf von Mode wächst und wächst. Seit 2009 steht Vestiaire Collective vor allem für den reibungslosen Resale von Premium und High Fashion. Das seit kurzem B Corp-zertifizierte Unternehmen unterhält mittlerweile Niederlassungen in New York, Los Angeles, Hongkong, Singapur und einen Tech Hub in Berlin. Im Mai 2022 bezog Vestiaire das neue Headquarter in Paris, dessen Interieur auf einem nachhaltige Konzept beruht und Mitarbeiter:innen eine besondere Work-Life-Balance bieten soll. Wir haben Dounia Wone, Chief Sustainability und Inclusion Officer von Vestiaire Collective, zu Ganzheitlichkeit, dem neuen Impact Report und ihrem liebsten Fashion Piece befragt.

Ein Büro in Paris von Vestiaire Collective.
Das neue Headquarter der Preloved-Plattform Vestiaire Collective in Paris. Foto: Presse

Ihr habt im September 2021 als erste Preloved-Fashion-Plattform die B-Corp Zertifizierung erhalten. Herzlichen Glückwunsch dazu. Ihr verfolgt neben eurer Nachhaltigkeitsstrategie aber auch eine in Bezug auf Inklusion, was darauf schließen lässt, dass ihr euer Unternehmen ganzheitlich betrachtet. Kannst du uns näher erläutern, wie ihr Diversität und Inklusion praktiziert?
Danke schön! Nachhaltigkeit ist seit der Gründung ein zentraler Wert für Vestiaire Collective und wir sind sehr stolz darauf, die weltweit erste B Corp-zertifizierte Wiederverkaufsplattform zu sein. Diversität ist für uns ein in der Firma verankertes Selbstverständnis, weil unsere Mitarbeiter:innen aus der ganzen Welt kommen. Es sind viele Kulturen und Länder bei uns vertreten. Darüber hinaus haben wir im Unternehmen ein Verhältnis von 51 Prozent Frauen gegenüber 49 Prozent Männern. Als Teil der Tech-Branche ist es uns wichtig, dass wir Frauen in diesem Bereich stärken, weil die Tech-Industrie nicht gerade für Geschlechterparität steht. Wir haben außerdem den Umzug in unser neues Büro genutzt, um das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter:innen zu maximieren. Wir haben Elternzimmer zum Stillen, genderneutrale Toiletten und auch einen Meditationsraum. Wir ermutigen alle, sich zu engagieren, so sind Arbeitsgruppen für LGBTQIA+, Female Empowerment, Barrierefreiheit und noch weitere entstanden. Darüber hinaus haben wir zum Beispiel unser Programm „15 hours to help“ ins Leben gerufen, das es unseren Mitarbeiter:innen in allen Niederlassungen ermöglicht, philanthropische Initiativen zu unterstützen. Jede:r erhält zwei Arbeitstage pro Jahr, um sich dem zu widmen.

Kampagenenbild zum Impact Report mit Foto und Typo
Foto: Presse

Kommen wir zu eurem Impact Report, für den ihr mit PwC zusammengearbeitet habt. Wie sind die Zahlen und Werte zustande gekommen?
Wir haben mit dem britischen PwC-Team für Nachhaltigkeit und Klimawandel zusammengearbeitet, um die Auswirkungen des Wiederverkaufs von Mode auf die Umwelt besser zu verstehen. PwC wandte Methoden zur Bewertung der Auswirkungen auf unsere Daten über den ökologischen Fußabdruck von Vestiaire Collective an. Die meisten unserer Schlussfolgerungen wurden aus unseren eigenen Daten gezogen, die wir, in einer im Dezember 2021 durchgeführten Umfrage, ermittelt hatten. Um sowohl Käufer:innen wie auch Verkäufer:innen besser zu verstehen, haben wir eine Verhaltensumfrage durchgeführt, wodurch wir 2.363 Antworten aus 57 Ländern erhalten haben. Daraus konnten wir eine Menge nützlicher Erkenntnisse über Einkaufsgewohnheiten, Tendenzen, Wiederverkaufspraktiken und mehr gewinnen. Der Bericht ergab zum Beispiel, dass unser Fokus auf hochwertige Artikel die Verbraucher:innen ermutigt, in bessere Qualitäten zu investieren.

Der Upsacle Effekt

Im Impact Report heißt es, dass 70 Prozent der auf Vestiaire gekauften Artikel einen Neukauf verhindert haben und 33 Millionen Konsument:innen 2020 zum ersten Mal Preloved-Kleidung erwarben. Das ist eine enorme und erfreuliche Entwicklung. Was macht Vestiaire Collective, um diese Entwicklung nach vorne zu bringen?
Viele Menschen glauben immer noch, dass große Wiederverkaufsplattformen wie Vestiaire Collective die Nachhaltigkeit zwar fördern, aber gleichzeitig den Überkonsum am Laufen halten. Unser Impact Report zeigt jedoch genau das Gegenteil: Wiederverkaufsplattformen fördern einen nachhaltigen Lebensstil unmittelbar. Übermäßiger Konsum ist verschwenderisch, führt zu mehr Müll und bis vor kurzem auch zwangsläufig zu Umweltzerstörung. Unser Geschäftsmodell jedoch basiert auf der Kreislauffähigkeit von Produkten. Es wird nichts hergestellt und es gibt auch keinen Abfall. Es gibt kaum Geschäftsmodelle oder Branchen, die dasselbe von sich behaupten können.

Rückenansicht eines weiblichen Models in Sommerlook.
Foto: Presse

Im Report steht: „Wir glauben, dass die Wirtschaft eine Kraft für das Gute sein muss, sowohl für den Menschen als auch den Planeten.“ Eine fantastische Botschaft. Wie lebt ihr diese bei Vestiaire? Und glaubt ihr, dass es eine Botschaft ist, die sich nicht nur in eurem Unternehmen, sondern auch allgemein in der Mode- und Textilindustrie durchsetzen lässt?
Das einzigartige Modell von Vestiaire Collective konzentriert sich auf das Engagement unserer Community und ermutigt Kund:innen, Fast-Fashion den Rücken zu kehren und sich für das Prinzip „Less, but better“ zu entscheiden. Unsere Untersuchungen zeigen, dass dieser Ansatz funktioniert. Nur zehn Prozent unserer Verkäufer:innen kaufen von ihren Einnahmen neue Fashion Pieces. Und 50 Prozent der Verkäufer:innen hätten ohne uns, ihre Artikel gar nicht erst zum Weiterverkauf angeboten. Diese Erkenntnisse belegen, die Relevanz von Verkaufsplattformen im Preloved Segment. Es verändert das Kaufverhalten. Wir konnten zudem feststellen, dass Brands mehr denn je den Lebenszyklus ihrer Produkte über den ersten Verkauf hinaus berücksichtigen. Sie sind daran interessiert, dass ihre Premium Artikel auch auf dem Resale-Markt mit Sorgfalt präsentiert werden. Darauf basierend haben wir 2021 das „Brand Partner“-Programm gelauncht, um den Labels maßgeschneiderte Lösung anzubieten, mit der sie die Kreislaufwirtschaft in ihr bisher lineares Geschäftsmodell integrieren können. Wir möchten gemeinsam mit den Brands die Vision eines ‚Vintage of tomorrow‘ entwickeln.

Preloved Jacke mit Blumenapplikationen.
Ein Alltime-Favorite von Dounia Wone ist diese bestickte Jacke. Ihre Schwiegermutter kaufte sie in den siebziger Jahren in einem Second-Hand-Laden. Die Jacke steht exemplarisch für die Zirkularität von Preloved Fashion. Foto: Dounia Wone

Resale ist zweifellos eine gute Alternative zum Neukauf. Insbesondere durch das wachsende Phänomen der Ultra Fast Fashion zum Beispiel von Brands wie Shein und Boohoo verlieren Modeprodukte rasant an Wert und sind teilweise für den einmaligen Gebrauch konzipiert. Ein haarsträubender Ansatz. Vestiaire Collective bietet zwar eine Alternative, aber wenn ein Sommerkleid bei Shein für unter acht Euro zu haben ist, kann das selbst Resale nicht unterbieten. Was denkst du, muss geschehen, um diese Entwicklung aufzuhalten?
Alle haben es verdient, erschwingliche Kleidung zu kaufen. Fast Fashion kann aber nicht die Antwort sein. Die Fast-Fashion-Industrie befeuert eine kaputte Kultur des Überkonsums, indem Verknappung inszeniert und Verbraucher:innen mit ständig wechselnden Trends sich gezwungen fühlen sollen, am Ball zu bleiben. Fast-Fashion-Artikel haben ausnahmslos eine kurze Lebensdauer. Unsere Community soll den Vorteil erkennen, ein oder zwei qualitativ bessere und langlebige Artikel zu kaufen, anstatt mehrere minderwertige Artikel, die wenig oder gar keinen Wiederverkaufswert haben. Es gibt derzeit 23 Millionen Mitglieder in unserer Community. Das sind 23 Millionen Menschen, die wissen, dass Second-Hand nicht gleichbedeutend mit schlechter Qualität ist. Es ist uns ein Anliegen, sie zu ermutigen, in bessere Qualitäten zu investieren. Unsere Mission ist, das Konsum- und Kaufverhalten der Menschen zu ändern und sie weg von der Fast Fashion zu führen.

Mehr unter vestiairecollective.com.