Ein Multibrandstore am Flughafen klingt logisch und lukrativ. Und doch gibt es sie nicht – zumindest nicht, wie es sich David Fischer von Highsnobiety und der Zürcher Flughafen vorstellten. Im November 2021 eröffnete Highsnobiety seinen Pop-up-Store Gate Zero in typischer Pionier-Manier. Das Portfolio sorgfältig kuratiert – von Kosmetik über Eyewear, Schuhe und Accessoires bis hin zur Luxus Yoga Matte und eigener Zürich-Merch. Das erste Fazit nach drei Monaten Gate Zero: Der nächste Flughafenstop kommt bestimmt. Wir sprachen mit Highsnobiety Gründer und CEO David Fischer über Travel Retail und die Kunst, heute noch zu überraschen.
Halbzeit am Gate Zero: Wie ist bisher das Feedback auf euren Airport Store?
Super. Es ist natürlich coronabedingt am Flughafen zeitweise ein bisschen weniger los als sonst, aber das Feedback ist sehr gut. Unser Gate Zero hat echt eine coole Location am Flughafen. Es ist buchstäblich ‚hard to miss’ und wir haben schnell gemerkt, dass ein Laden wie unserer anscheinend generell an Flughäfen gefehlt hat. Es ist die Mischung aus einem coolen Produktsortiment, das es in der Form bisher am Flughafen einfach nicht gab. Also ja, das Konzept kommt sehr gut an und wir selbst sind auch zufrieden.
Wie kamt ihr als Berlin-based Brand eigentlich gerade auf den Zürcher Flughafen?
Der Zürcher Flughafen kam vor zwei Jahren tatsächlich auf uns zu und hat uns gefragt, ob wir Interesse hätten, einen Pop-up-Store am Flughafen zu machen. Und aus dieser Anfrage heraus entstand dann unser Highsnobiety Gate Zero-Konzept. Als wir mit dieser Idee dann zu Marken gegangen sind, waren alle eigentlich direkt an Bord. Viele wollten schon immer auf einen Flughafen, aber entweder hat Environment hat nicht gestimmt oder ein eigener Flagship Store am Flughafen war einfach nicht möglich. Außerdem gibt es keine Multibrandstores – zumindest nicht in Fashion, sondern wenn, dann nur im Electronics-,Food- und Beverage-Bereich. Als das Konzept sich immer weiterentwickelte, haben wir irgendwann festgestellt, dass wir witzigerweise selbst viel Zeit am Flughafen verbringen und es rein gar nichts für uns am Flughafen gibt. Klar, es sind viele Luxusmarken vertreten, aber die haben auch kein sonderlich cooles, sondern eher ein Standard-Sortiment. Deshalb hat es echt Spaß gemacht, etwas völlig Neues zu entwickeln, das es in der Form gar bislang nicht gab. Weder in Zürich noch in New York, Paris oder London. Das machte es natürlich noch spannender. Auch, weil wir als Marke immer gerne Sachen als Erste machen und in neue Territorien pushen.
Highsnobiety ist grundsätzlich für seine sehr progressive Herangehensweise bekannt. Aber was bedeutet das in dieser Branche eigentlich noch? Wie überrascht man heutzutage?
Einerseits arbeiten wir für einen Konsumenten und für eine Community. Andererseits sind wir aber auch selbst Teil dieser Community. Dementsprechend ist die Aufgabe letztendlich einfach coole Sachen zu entwickeln, die wir selbst cool finden. Worauf haben wir selbst Lust? Was vermissen wir? Oder was gab es noch nie? So gehen wir meistens an die Sache heran. Das Besondere an Highsnobiety ist letztendlich, dass wir es über die Jahre hinweg geschafft haben, alles über eine gewisse Style-Lense zu betrachten, aber auch einen sehr eklektischen Filter zu entwickeln. Damit meine ich, Marken zu kennen, die viele unterschiedliche Dinge machen und dennoch zu uns passen. Wir machen beispielsweise eine Kollektion mit Café de Flore, dann machen wir Produkte mit Sothebys, anschließend arbeiten wir an einer Nike Running Kollektion und daraufhin entwickeln wir eine Capsule mit Margiela. Oder wir designen unseren eigenen Adidas und New Balance Shoe, gefolgt von einer Capsule Kollektion mit unserem Lieblings-Falaffel-Laden in Paris. Hä?
Für viele Außenstehende, die nicht aus unserer Welt kommen, die sind sicherlich verwirrt. Aber das Herz der Marke Highsnobiety ist Content und Storytelling. Das erlaubt uns, in diese neuen, vermeintlich nicht zusammenpassenden Territorien reinzugehen, wie zum Beispiel ein Flughafen. Wir haben als Publisher vor 16 Jahren das Versprechen an unsere Audience abgegeben: We keep you ahead of the curve. Das bedeutet natürlich für uns selbst, dass wir permanent irgendwie cutting edge sein müssen, weil wir sonst letztendlich das Versprechen nicht mehr halten können. Wir haben mit der Zeit uns eine starke World View angeeignet, weil wir nun mal auch unglaublich viel sehen. Und wenn man, in Anführungszeichen, alles in der eigenen Welt sieht, was es für Pop-ups gibt, was für Retailer und welche coole neue Marken, neue Talente, bekommt man ein sehr gutes Gespür dafür, was es gibt und was es noch nicht gibt. Im Grunde versuchen wir immer zwei Schritte weiter zu sein als alles andere. Am Flughafen war das jetzt schon fast leicht, weil es im Prinzip keine Konkurrenz gab. Wir mussten einfach ein Environment schaffen, das es uns erlaubt, die Marken, die wir cool finden, an den Flughafen einzuladen. Das war die Hauptaufgabe.
Du hast einmal gesagt, dass ja niemand auf diese neue Generation von Luxus-Konsument:innen eingeht. Wer ist die neue Generation, von der du sprichst und was macht sie so interessant?
Wir haben mal vor Jahren diesen Term ‚New Luxury’ definiert. Eine junge Audience versteht Luxus heutzutage anders, als es in der Vergangenheit war. Damals war Luxus sehr stark getrieben von Heritage, Craftsmanship, Preis; das sind zwar immer noch Sachen, die wichtig sind, aber eine junge Generation orientiert sich ganz stark Access und Knowledge. Sprich: Wie komme ich an diese Produkte heran und was weiß ich über diese Produkte, die Designer etc.? Was wir speziell über die Highsnobiety Audience herausgefunden haben: Inspiration alles ist. Als Marke muss man demnach permanent inspirieren. Niemand wacht eines Morgens auf, fährt auf der Suche nach einem neuen Gürtel ins KaDeWe, sieht dort zum ersten Mal Gucci und kauft dann auch den Gucci-Gürtel. Nein, man hat das Gucci-Fest gesehen, dann die Fashion Show auf dem Sunset Strip, dann as Hacker Projekt zwischen Gucci und Balenciaga und so weiter. Also das sind alles Sachen, die man mit der Zeit aufnimmt und wenn man dann im KaDeWe reinkommt, um sich einen Gürtel auszusuchen, kauft man wahrscheinlich den Gucci-Gürtel, weil man permanent von Gucci inspiriert wurde. Und genau darum geht es eigentlich heutzutage als Marke: Zu verstehen, dass die Kaufentscheidung eigentlich schon in der Inspiration-Phase getroffen wird. Diese Experience-Journey, vorbei an den Passionpoints wie Mode, Film, Musik, fließt natürlich auch Konzepte wie Gate Zero ein. In einem ‚New Luxury’-Store für den Cultural Pioneer trifft dann ein Noah auf einen Converse auf einen Jil Sander und und und. High meets low. Alles geht. Heißes Material, das relativ einfach gestrickt wird.
Ist denn das Environment eines Flughafens per se einfach(er)? Worin liegt deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen Urban und Travel Retail?
Die meisten konsumieren schon großzügiger, wenn sie in den Flughafen einlaufen und in dieser Urlaubs-/Reiselaune stecken. Man darf ja auch nicht vergessen: Der Flughafen ist letztendlich wie eine Shopping Mall, in der man erfährt gefühlt erst 10 Minuten vor Abflug, erfährt, wo man eigentlich hinmuss. In der Zeit bis zum Abflug hat man nichts zu tun, weshalb auf Flughäfen natürlich schon alles auch stark aufs Shoppen optimiert ist und dementsprechend natürlich auch, was die Conversion und den Foot-Traffic angeht, Covid mal ausgeklammert, eine ziemlich sichere Angelegenheit zu sein scheint. Deshalb ist es auch teuer am Flughafen zu sein, weil man nur herumsteht und nichts zu tun hat, außer zu shoppen. Das macht das Environment entsprechend attraktiv. Im Gate Zero funktioniert Kosmetik unglaublich gut, ebenso wie Turnschuhe und die Klassiker wie Accessoires, Schmuck, Sonnenbrillen und Lederwaren. Wir haben jedoch festgestellt, dass Mode weniger gut läuft und, zu unserer großen Überraschung, unsere eigenen Apparel-Produkte, die Zürich Merch, mit am besten funktionieren. Interessanterweise verkaufen wir auch bombastisch die Jil Sander Yogamatte. Ich glaube, die Leute suchen speziell bei uns nach besonderen Sachen, wie eben eine Jil Sander Yogamatte.
Rückblickend: Worauf hat du dich am Gate Zero Opening am meisten gefreut?
Als digital first Marke freut man sich immer besonders über ‚echte’ Sachen. Deshalb habe ich auch immer so einen Riesen-Spaß an unseren Produkten und jetzt eben auch an unserem Gate Zero-Space. Dort laufen jeden Tag Tausende Menschen vorbei und sehen unser Logo, unsere Welt, die wir geschaffen haben. Das ist schon geil und fast so schön, wie jemanden auf der Straße in unserem Hoodie zu sehen. Es ist ein gutes Gefühl und auf eine gewisse Art und Weise eine sehr schöne, echte Demonstration von unserer Welt und dem Fokus, den wir in unserer Welt haben. Ich selbst kaufe online und bin sehr onlineaffin, aber es gibt wenige Sachen, die so viel Spaß machen wie ein gut kuratierter Laden. Und wenn man es dann auch noch schafft, Leute zu überraschen, ist es etwas ganz Besonderes.