Ein Gastbeitrag von Mela Bauer, Geschäftsführerin Melagence

Gastbeitrag
Mela Bauer moderiert das Order Festival #3 von Melagence.Foto: Benjamin Höhner

Mela Bauer, Gründerin und Geschäftsführerin der Modeagentur Melagence und Online-Plattform Melagence Local in Berlin hat für uns einen Gastbeitrag zur Lage der Modebranche geschrieben. Im Rahmen des Order Festivals #3 waren Händler:innen erneut nicht nur zur Order eingeladen, sondern konnten an zahlreichen Side Events wie Workshops teilnehmen. Das dritte Order Festival fand übrigens unter dem Titel ‚Paris we miss you!‘ statt.

Gastbeitrag von Mela Bauer:
Einkaufen 2.0 – Ein Zwischenfazit nach einem Jahr Corona

Was vor einem Jahr unvorstellbar wirkte, ist ein neuer Alltag: Unmittelbar und ungeschönt erleben wir seit zehn Monaten die Auswirkungen der Corona-Krise auf unsere Gesellschaft. Unser Mitgefühl und unsere Gedanken gehen an alle, die persönlich, gesundheitlich oder wirtschaftlich besonders betroffen sind. Und gleichzeitig müssen wir seit Tag eins handeln – denn wir stehen als Teil der globale Textilindustrie vor den großen Herausforderungen, denen sich unsere Branche stellen muss – von den Designer:innen, Produktionsstätten über Händler:nnen und Store-Mitarbeiter:innen bis hin zu unseren Teams.

Fazit nach Order Festival #3

Bei einem notgedrungenen ‚neuen Normal‘ wollten wir es nicht belassen. Wir haben uns im März 2020 – und mit dem ersten Lockdown – gefragt, was brauchen wir und unsere Partner:innen jetzt? Und wie wollen wir einkaufen, ordern und uns begegnen? Unser Fokus ist dabei bis heute: Hilfe zur Selbsthilfe, keiner bleibt allein und Digitalisierung – und zwar jetzt! Den Anfang machten unsere #SupportEachOther Tutorials zur besseren digitalen Selbstvermarktung per Instagram, Whatsapp oder dem eigenen Webshop.

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Melagence-Showroom in München Foto: Benjamin Höhner

„Unser digitaler Bereich hat sich während des Lockdowns überragend entwickelt. Viele Kund:innen greifen auf unser Online-Angebot zurück, aber auch neue Kanäle wie WhatsApp entwickeln sich. Wir sehen die aktuelle Situation auch als Möglichkeit mit einem verbesserten lokalen Service wie zum Beispiel persönlichen Auslieferungen zu punkten.“
Christopher Romberg, Inhaber Schwittenberg, München

Der eigenen Empfehlung sind wir auch selbst gefolgt – das Ordern musste digital weitergehen, das Netz ist der neue Marktplatz. Zum dritten Mal fand deshalb gerade vom 25. Januar bis 2. Februar unser Melagence-Order-Festival statt: Ein Programm aus live Brand-Präsentationen mit Catwalk, Q&A mit den Designern und detaillierten Vorstellungen durch unsere Sales-Expert:innen. Die Melagence Academy ergänzt das Angebot durch Workshops rund um Themen wie PR, Finanzen oder auch Selfcare, um die Bedürfnisse und Fragen in dieser Zeit aufzufangen. Den Hintergrund für die Aufnahmen bietet unser Showroom in München, in dem – unter den gebotenen Sicherheits- und Hygienevorschriften – physische Termine möglich sind.

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„Mit den digitalen Angeboten – aus dem Melagence-Order-Festival – und den Brand-Präsentationen, kann ich meine MitarbeiterInnen noch viel mehr als bisher in den Orderprozess integrieren. Statt alleine zu reisen und zu ordern, können wir gemeinsam eine Auswahl treffen. Das Team identifiziert sich so stärker mit den Produkten, noch bevor sie im Laden ankommen und kann sie den Kund:innen viel persönlicher vorstellen.“
Ulrike Teterycz, Inhaberin Werkstattladen, Shoe Konzept und H&W, Seehaupt

Unser Format kommt an: Vor allem weil es Austausch bietet, auffängt, eine Community schafft – so das Feedback. Im vergangenen Sommer haben wir zehn Prozent unserer Order über digitale Termine abgeschlossen, jetzt sind es 30 bis 40 Prozent. Ein großer Vorteil für unsere Partner:innen ist das zeit- und ortsunabhängige Ordern. Während wir eine steigende Zuschauer:innenzahl bei unseren Live-Übertragungen verzeichnen, steigt auch die Zahl derer, die Videos später über Instagram oder unsere Website abrufen. Hinzukommt, dass wir von unseren Teilnehmer:innen viel lernen, denn mit dem ersten Order Festival fanden wir uns auf einmal in unbekannten Rollen wieder wie moderieren, anleiten, technische Hilfestellungen geben. Das war neu. Bis zur dritten Edition haben wir in bessere Technik investiert und an Ton, Licht und Show gefeilt. Ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeiter:innen und ihr Engagement, das sie in unser Festival einbringen. Gemeinsam kann man Ideen und Innovationen schneller und mit mehr Freude voranbringen. Ich bin überzeugt, die Meilen, die wir jetzt mit großem Einsatz zurücklegen, werden sich für uns alle auszahlen. Die Branche hat sich noch nie so schnell in derart kurzer Zeit digital weiterentwickelt!

Die Grenzen des Digitalen Miteinanders

Was fehlt, trotz digitalen Miteinanders? Es fehlen natürlich der physische Kontakt mit der Ware, die persönliche Begegnung von Angesicht zu Angesicht, der fachliche Austausch und das Flair. Unser drittes Festival haben wir deshalb unter das Motto ‚Paris we miss you!‘ gestellt mit passenden Musik-Playlists und Showroom-Deko, um uns die Wartezeit bis zur Rückkehr in die Modemetropole zu versüßen. Mit dem Versand kleiner Goodie-Bags und Materialproben der Brands konnten die Präsentationen am Bildschirm haptischer verfolgt werden. Schnitt, Stoff, Tragegefühl – Komponenten, die das neue Lieblingsteil ausmachen, empfinden wir über Emotionen, aber diese lassen sich nicht vollends ins Netz übertragen, das berichten auch unsere Partner.

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Foto: Benjamin Höhner

„Die Schaufenster unserer Läden sind neben Instagram unsere wichtigste Plattform. Hier zeigen wir unsere Kuration und unser Styling und das macht neugierig – per Whatsapp oder E-Mail wird dann geordert. Je persönlicher und authentischer man sich jetzt präsentiert, desto besser erreicht man trotz Lockdown seine Kund:innen.“
Ulrike Teterycz, Inhaberin Werkstattladen, Shoe Konzept und H&W, Seehaupt

Die staatliche Rolle

In der Diskussion um staatliche Förderung ist es deshalb am wichtigsten, dass Läden bald wieder öffnen dürfen. Egal wie limitiert. Dass riesige Supermärkte hunderte Menschen gleichzeitig empfangen können, die sich schon auf dem Parkplatz in die Quere kommen, kleine Boutiquen aber keine einzelnen, wenigen Kund:innen begrüßen dürfen, will nicht einleuchten. Und dennoch: Vor fünf Jahren unter den damaligen technischen Voraussetzungen hätte uns die Krise noch härter getroffen. Während wir nun also neue Wege finden müssen und können, um die Ware an die Frau und den Mann zu bringen, haben wir jetzt die Chance uns zu fragen, wie wir in Zukunft verkaufen wollen.

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Foto: Benjamin Höhner

„Die Kunden kaufen eher Standards zum Beispiel eine gute Jeans oder einen kuschligen Strickpulli, gerade gerne in hellen Tönen. Alles was ausgefallen ist und vielleicht auf einer Party funktioniert, ist derzeit schwierig. Denn die Mehrzahl sitzt im Home-Office, die Restaurants haben alle geschlossen und auch sonst finden keine Partys statt.“
Sylva Kairies, Inhaberin Little Department Store, Hamburg

Die Lust an Mode wird wiederkommen. Wie wollen wir ihr begegnen? Was sicherlich hilft, neuen Krisen und einem Überhang an Waren vorwegzugreifen – und uns allen gut tut: Lokaler, bewusster und nachhaltiger kaufen und unabhängig von saisonalen Trends auf zeitlose Pieces setzen. An die Verbraucher:innen appellieren wir: Kleine lokale Händler:innen zu unterstützen statt anonyme große Shops. Ich glaube, wir können jetzt gemeinsam viel erreichen, daher meine Empfehlung und mein Credo: Umarme die Möglichkeiten!