5 Fragen an Sophia Scott, Groundtruth

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Eine ethische, klimaneutrale Produktion und modulare Designs, die in jeder Umgebung eingesetzt werden können – von der extremen Arktis bis hin zu urbanen Stadtumgebungen. Das ist das Ziel des 2017 gegründeten Labels Groundtruth. Die gesamte Produktpalette beseht zu 100 Prozent aus recycelten Materialien und wird in einer Bluesign-zertifizierten Manufaktur hergestellt.

480.000 Plastikflaschen konnte das aktuelle Groundtruth RIKR-Taschensortiment bisher aus der Umwelt entfernen. Eine Leistung, die jüngst mit dem Dezeen Wearable Award 2020 ausgezeichnet wurde. Hinter dem Label Groundtruth stehen drei Schwestern, die durch ihre Arbeit als Dokumentarfilmerinnen auf Probleme gestoßen sind, die sie nicht länger ungeachtet lassen konnten. Sophia, Georgia und Nina Scott wollen ihren Teil zur Verhaltensänderung der Verbraucher:innen beitragen und die Menschen von Fast Fashion wegbringen. Wir sprachen mit Sophia Scott über ihren Null-Plastik-Ansatz, den eigenen CO2-Ausstoß und warum Groundtruth-Produkte niemals auf der Mülldeponie landen werden.

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Sophia Scott bei ihrer Arbeit sowohl für Groundtruth als auch als Dokumentarfilmerin in Jakarta. Foto: Groundtruth

Wie kommt man von Dokumentarfilmen zur Taschenlabelgründung? Hat euch etwas in der praktischen Ausrüstung gefehlt? 
Georgia und ich machen seit über zwölf Jahren Filme und sind ständig weltweit unterwegs. Dabei fehlte immer der richtige Rucksack für unsere Kameraausrüstung. Entweder wir filmten im nassen Dschungel im Ostkongo oder saßen im nächsten Moment in einem Flugzeug auf dem Weg nach New York zu Meetings. Wir wollten eine Tasche, die uns zwischen diesen unterschiedlichen Lebensstilen begleiten konnte. Da wir einen Großteil unserer Arbeit als Filmemacherinnen auf Müllhalden verbrachten, wurden wir Zeuge, wie riesige Mengen an Plastik ins Meer gelangten. Wir wollten daher ein Unternehmen gründen, das dabei helfen könnte, etwas von dem Dreck zu beseitigen, den wir Menschen verursachen und gleichzeitig ein schönes und nützliches Produkt aus diesem Abfall herzustellen. Wir hoffen damit beweisen zu können, dass es möglich ist, ein super nachhaltiges Unternehmen aufzubauen und zu betreiben, das unseren Planeten nicht zusätzlich verschmutzt. Und als wir Groundtruth gründeten, konnten wir keine Taschenmarke finden, die alle unsere Anforderungen an Haltbarkeit, Stil, Nachhaltigkeit und Leistung erfüllte. Langlebigkeit ist für uns entscheidend. Unser ganzes Ethos bei Groundtruth ist es, vorsichtig mit unserem Planeten umzugehen und nicht noch mehr Müll zu produzieren. Unsere Taschen sind daher so konzipiert, dass sie lange halten, damit sie nicht auf der Mülldeponie landen. Wir ermutigen unsere Kunden, vernünftig zu kaufen, und glauben daran, die endlichen Ressourcen der Erde zu schützen. 

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Die Scott-Schwestern und Groundtruth-Gründerinnen Georgia, Sophia und Nina. Foto: Groundtruth

Nachhaltigkeit ist bei der Gründung eines Labels heutzutage eigentlich ganz selbstverständlich – zumindest sollte es so sein. 2017 war das noch ein wenig anders. Welche Herausforderungen hattet ihr zu Beginn zu bewältigen und welche Bedingungen erschweren eine nachhaltige Produktion?
Als wir unser Label gründeten und funktionale Taschen aus recyceltem Kunststoff herstellen wollten, gab es nicht viele Marken, die das taten. Wir haben es uns aber auch besonders schwer gemacht, da wir die gesamte Tasche aus recyceltem Kunststoff herstellen wollten, nicht nur einen kleinen Teil. Doch wir lernten schnell, dass die Verwendung von recycelten Materialien sehr viel teurer war. Obendrein war es ohnehin schwer, einen nachhaltigen, ethisch denkenden Hersteller zu finden. Schließlich fanden wir einen großartigen Partner in Jakarta und Taipeh – kleine Fabriken, die sich an die Bluesign Umweltstandards halten. Nichtsdestotrotz mussten wir den höheren Preis in Kauf nehmen, denn wir haben das Gefühl, dass dies langfristig eine Entscheidung ist, die uns allen und unserem Planeten zugute kommt. 
Natürlich hoffen wir auch, Teil einer Verhaltensänderung der Verbraucher zu sein und einen sinnvollen Dialog über verantwortungsvolles Kaufen zu fördern und die Menschen von der Gewohnheit der Fast Fashion wegzubringen, die einfach überhaupt nicht nachhaltig ist. Je mehr Unternehmen die gleichen Prinzipien übernehmen, desto mehr können die Kosten für recycelte Materialien sinken, insbesondere der Null-Plastik-Ansatz, den wir verfolgen – es muss also bezahlbare Alternativen geben. Es geht auch darum, die Denkweise der Verbraucher:innen zu ändern, dass wir alle ein wenig mehr für ein Produkt bezahlen müssen, um sicherzustellen, dass es keinen schädlichen ökologischen Fußabdruck hat. 

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Woher bezieht ihr euer Material?
Wir wollten für die Beschaffung der recycelten Plastikflaschen unseren Kohlenstoff-Fußabdruck so gering wie möglich halten. Wir fanden eine großartige Recyclinganlage in der Nähe unserer Fabrik in Jakarta, die Plastik aus Ozeanen, Wasserwegen, Mülldeponien sammelt und auch aus anderen Ländern importiert – das Plastik kommt also wirklich aus der ganzen Welt. Diese Recyclinganlage erhält im Durchschnitt 2.000 Tonnen Plastikflaschen pro Woche, diese Flaschen werden gereinigt, zerkleinert und dann nach Taiwan geschickt, wo sie zu Garn verarbeitet werden. Der Stofflieferant in Taiwan ist Bluesign-zertifiziert und produziert auch Stoffe für Patagonia, so dass wir wussten, dass die Qualität und Nachhaltigkeit das war, wonach wir suchten. 

Groundtruth arbeitet daran, 100 Prozent klimapositiv zu werden. Wie plant ihr dieses Ziel zu erreichen? 
Wir wissen, was es braucht, um an einigen der härtesten Orte der Welt zu filmen. Man braucht eine zuverlässige, langlebige und leistungsstarke Ausrüstung, aber im Jahr 2021 bringt es nichts, die richtige Ausrüstung zu haben, wenn sie nicht sinnvoll für unseren Planeten ist.
Durch die Entwicklung fortschrittlicher neuer Arbeitsweisen wollen wir als Katalysator für den globalen Dialog fungieren und Branchen überbrücken, um Veränderungen zum Besseren zu bewirken. Von der Geschäftsreise über die Produktion bis hin zur Materialherstellung kompensieren wir unseren gesamten Kohlenstoffausstoß mit dem Mai Ndombe REDD+ Projekt in der Demokratischen Republik Kongo, das über 740.000 Hektar des zweitgrößten Regenwaldes der Welt schützt. Wir haben ausgerechnet, wie viel CO2 bei der Produktion unserer ersten Serie ausgestoßen wurde und wie viel CO2 wir durch unsere Reisen verursacht haben und haben die 120 Tonnen kompensiert. Das sind die Art von absoluten Werten, die angenommen werden müssen, und ich glaube, dass wir in zehn Jahren darauf zurückblicken werden, wie umweltschädlich die Fertigungsindustrie war. Ich denke, mit COVID-19 wachen die Menschen auf, wie sehr wir die natürliche Umwelt schützen müssen, um unser eigenes Überleben zu sichern. Eines unserer Hauptziele ist, dass unsere Groundtruth-Produkte niemals auf einer Mülldeponie landen. Wir verwenden alle Verschnitte aus unserer Produktion, um unsere kleineren Artikel wie den RIKR Kartenhalter herzustellen. Wir sind dabei, regionale Projekte einzurichten, bei denen alte Rucksäcke an Gemeindeprojekte gespendet werden, um sie benachteiligten Schulkindern zur Verfügung zu stellen. In jedem Aspekt unseres Geschäfts streben wir danach, wirklich klimapositiv zu sein. Das ist für uns ein langfristiges Ziel und eine Reise, die immer weitergeht.

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Was kommt also als nächstes für Groundtruth?
Wir hoffen, Groundtruth weiterhin als globale nachhaltige Marke und als vertrauenswürdiges Unternehmen bei der Weiterentwicklung von Materialien, die aus umweltschädlichen Substanzen hergestellt werden, aufzubauen. Die Zeit für Veränderungen ist jetzt. Wenn wir nicht kollektiv unser Verhalten ändern, werden die Folgen für unser Klima unumkehrbar sein. Die Treibhausgase müssen kontrolliert werden, wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir Geschäfte machen und wie wir unser Leben leben. Jede Facette der Gesellschaft muss die notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Emissionen zu begrenzen, neue nachhaltige Wege der Energieversorgung zu finden und wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen.
Wir haben Groundtruth mit der Verpflichtung gegründet, unsere natürliche Umwelt zu schützen und gleichzeitig die Menschen zu schützen, die die Produkte herstellen. Wir wollten aktiv dazu beitragen, die Modeindustrie von innen heraus zu verändern, neue umweltfreundliche Materialien aus Abfall zu entwickeln und eine neue und nachhaltigere Arbeitsweise aufzubauen.
Derzeit entwerfen wir unsere zweite Kollektion, die im Frühjahr 2021 auf den Markt kommen soll: die ultimative wasserdichte Kollektion. Wir arbeiten an einigen sehr innovativen Materialien, so dass diese Tasche sehr futuristisch sein wird. Die Umweltgeschichte, die mit dieser Serie verbunden ist, dreht sich um die Abholzung der Wälder und die Notwendigkeit, die Wälder und die Tierwelt zu schützen. Diese Taschen werden in Borneo getestet, um die wichtige Arbeit der lokalen Naturschützer hervorzuheben. Eine Geschichte, die vor allem jetzt mit COVID-19 und dem Wissen verdeutlicht, dass das Eindringen menschlicher Aktivitäten in das empfindliche Ökosystem Infektionskrankheiten hervorruft. Wir werden jedenfalls gegen Ende dieses Jahres weltweit in Einzelhandelsgeschäfte eingeführt, also folgt uns bitte und haltet Ausschau nach unserer Marke …

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