Berlin Fashion Week – Max Gilgenmann und Ramona Pop im Interview

Foto: Konrad Schmidt

Vom 18. bis 20. Januar 2021 findet die erste Berlin Fashion Week ohne das einstige Messegespann statt. Der coronabedingten Situation geschuldet, debütiert die ‚neue’ Modewoche allerdings rein digital. Wir sprachen mit Max Gilgenmann, Gründer und Geschäftsführer Studio MM04 sowie Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe über die Neupositionierung der BFW, Vor- und Nachteile eines digitalen Auftritts, wie Mode und Politik zusammenarbeiten können und den Unterschied zwischen BFW und FFW. 

Herr Gilgenmann, ein Fokus der neuen Berlin Fashion Week liegt auf Sustainability. Der 202030 – The Berlin Fashion Summit lädt vor allem dazu ein, sich zu informieren und zu diskutieren. Der Think Tank ist bereits gestartet. Es folgen dann für die Öffentlichkeit der ‚Pre Summit ‘und ‚Summit‘. Können Sie uns das Konzept näher erläutern?
Der Grundgedanke des Konzeptes ist es, dass wir die Stärken unserer Plattform, die wir als ein internationales Diskussionsforum und Netzwerk sehen, nutzen wollen. Dazu gehört ein transparenter und konstruktiver Austausch zwischen verschiedenen Stakeholdern, im Idealfall auch zwischen Wettbewerbern. Konstruktive Dialoge werden durch eine vertrauensvolle Atmosphäre in unseren Pop Up Think Tanks ermöglicht. Diesen Ansatz kombinieren wir mit der Notwendigkeit und den Vorzügen einer öffentlichen Plattform, in dem Fall unserem Summit, wo die Inspiration und Information der Zuhörer im Fokus stehen. Der 202030 – The Berlin Fashion Summit unterstreicht die Bedeutung gemeinsamer Visionen und konkreter Zielwerte der Modeindustrie und vermittelt, wie wichtig die kritische und konstruktive Begleitung der Ziele von Anfang bis Ende ist.
Zudem sehen wir uns an einer wichtigen Schnittstelle, weil wir Experten und Vordenker aus verschiedenen Fachrichtungen an einen Tisch bringen. Als Gesellschaft bauen wir Expertise in verschiedenen Fachgebieten getrennt voneinander auf, deshalb ist es sehr wichtig, Fachwissen immer wieder neu zusammenzuführen. Nur so können wir gemeinsam erfolgreich eine nachhaltigere Zukunft gestalten. Dazu braucht es mehr Vermittler oder eigentlich ‚Übersetzer’ zwischen verschiedenen Fachrichtungen, zwischen Kulturkreisen oder zwischen Generationen sowie sehr grundsätzlich zwischen Unternehmen und Zivilgesellschaft und der Politik. Unser Format unterstützt und fördert dabei die Lösungsfindung für eine nachhaltigere Zukunft in der Modebranche.

Berlin Fashion Week
Max Gilgenmann, Gründer und Geschäftsführer Studio MM04 Foto: we love artbuying, David Spaeth

Im Rahmen der MBFW wird in Zusammenarbeit mit Fashion Revolution Germany ‚Fashion Open Studio’ stattfinden. Sind Sie, als Country Team Germany Member, ebenfalls involviert? Und was erwartet uns im ‚Fashion Open Studio’?
Das deutsche Team der Fashion Revolution ist von Anfang an mit involviert. Die Umsetzung erfolgt in enger Kooperation mit dem Fashion Revolution Headquarter in London — aber zu Details zum Fashion Open Studio müssten sie sich an meine Vereinskolleginnen Carina Bischof (mein Co-Vorstand im Verein) oder Ariane Pieper (Country Coordinator) verweisen, da ich persönlich nicht in die Arbeit an diesem Projekt involviert bin. 

Bedingt durch den anhaltenden Lockdown und den verschärften Maßnahmen lag es auf der Hand, dass die Berlin Fashion Week sich im Januar rein digital präsentieren kann. Zum einen ist die Branche nun unlängst an digitalen Events gewöhnt, dennoch sehnen sich viele nach physischen Veranstaltungen. Wo sehen Sie in diesem Fall die Stärken der BFW als digitales Format?
Für uns und den ersten 202030 – The Berlin Fashion Summit bedeutet ein rein virtueller Summit tatsächlich mehr Vor- als Nachteile. Zu den Vorteilen zählt auf jeden Fall, dass wir unsere Reichweite gezielt auf bestimmte Regionen und Zielgruppen ausrichten können und umgekehrt einfacher als üblich hochkarätige Experten aus der der ganzen Welt als Sprecher und Teilnehmer gewinnen können — und das ohne über Reisekosten reden zu müssen.
Auch die BFW im Ganzen scheint sehr gut für innovative digitale Formate aufgestellt zu sein. Das liegt zum einen an der sehr tech-affinen Start-up Szene in Berlin als auch den zahlreichen Kreativen, die in den letzten Monaten viele neue Ansätze für Modekommunikation und -präsentationen entwickelt haben. Wir dürfen also gespannt sein, was die anderen spannenden Player der BFW aus dem virtuellen Kreativpotential machen werden. Ich denke, alle haben sich in den letzten Wochen noch mal besonders reingehängt um die Chance der Neupositionierung der BFW gemeinsam nutzen zu können. 

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Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe Foto: Hoffotografen

Frau Pop, Sie haben sich immer sehr für die Berlin Fashion Week eingesetzt und nach der Bekanntgabe der Frankfurt Fashion Week schnell reagiert, um klarzustellen, dass die BFW weiter Bestand haben werde. Welche Bedeutung hat die Fashion Week für Berlin? Und wie ist ihre Erwartungshaltung an die digitale Ausgabe?
Die Berlin Fashion Week ist eine wichtige Präsentationsplattform für Modekollektionen und Zeitgeistthemen weit über den deutschsprachigen Markt hinaus. Diesen Januar präsentiert sie sich mit einem Mix aus etablierten und neuen Formaten sowie einem Schwerpunkt auf CrossCulture und Nachhaltigkeit. Die mediale Strahlkraft wird vermutlich bei einer weitgehend digitalisierten Modewoche bei einigen Hundert Millionen Impressions liegen. U.a. kommen die sehr guten Reichweiten der Partner Reference Studio und Highsnobiety hinzu. Ohne Lockdown-Bedingungen wäre es natürlich einfacher. Ich verstehe die Formate im Januar 2021 als wichtige Testläufe für Veranstaltungen unter Pandemiebedingungen. Corona könnte aber die Art, wie wir Events veranstalten insgesamt verändern. Jetzt haben wir die Chance, einen Testlauf zu machen. Das ist unter Pandemiebedingungen alles andere als einfach. Dafür danke ich neben den beteiligten Designer:innen und Kreativschaffenden auch den Veranstaltern, die sich dieser Herausforderung stellen. 

Die Covid-19 Pandemie hat die Modebranche in allen Bereichen stark mitgenommen. Diese Ausgabe der BFW setzt somit auch Signale für die Zukunft der Branche. Welche Unterstützung brauchen insbesondere junge Brands und Designer im Moment aus Ihrer Sicht?
Wir fördern Mode in Berlin seit weit über zehn Jahren über ein umfassendes Maßnahmenpaket, kein anderes Bundesland hat ein vergleichbares Förderinstrumentarium. Gefördert werden u.a. Weiterbildung und Coachingleistungen, Design Transfer in traditionelle Unternehmen, Nachhaltigkeitsbestrebungen, Präsentationsmöglichkeiten zu Fashion Weeks sowie beispielsweise zinslose Darlehen für junge und etablierte Modelabels. Darüber hinaus werden wir dieses Jahr den Aufbau eines Fashion Hub als ganzjährige zentrale Anlaufstelle für lokale DesignerInnen, Experten und internationale Delegationen starten. Weitere Programme sind in der Pipeline für junge wie etablierte Brands. 

Eine Prognose gleicht in der heutigen Zeit einer Runde Roulette. Spielen wir das Szenario dennoch durch: Die BFW könnte im Sommer als Hybrid sowohl digital als auch physisch stattfinden. Worin sehen Sie die deutlichsten Unterschiede im Vergleich zur Frankfurt Fashion Week?
Der wichtigste Unterschied ist, dass die Berlin Fashion Week künftig die wichtigste Bühne für nationale und internationale Kreative in Deutschland ist. Zudem fährt die Modewoche eine parallele B2C und B2B Ausrichtung. Gerade in ihrer vorwiegend digitalisierten Form richten sich die Formate an Einkäufer:innen und Modebegeisterte gleichermaßen. Der Trend bei den Formaten geht klar in Richtung B2C. Ich halte es dennoch für wichtig, ab Sommer den Einzelhandel noch stärker in die Aktivierungen einzubinden sowie weiterhin B2B-Formate anzubieten. Der Kern der Fashion Week in Frankfurt sind die Messen. Inwieweit sich die beiden Fashion Weeks unterscheiden werden wir ab Sommer deutlich sehen.