Arys – Im Zickzack-Kurs zum Erfolg

Arys
Foto: Presse

Arys, ausgesprochen ‚Air-ris’, gehört zu eben jenen jungen, nachhaltigen Outerwearlabels, das seiner Zeit – oder vielmehr seinem Ursprungsland – voraus ist. Funktional, minimalistisch, futuristisch. Diese drei Begriffe fangen den Geist der Berliner Marke kurzum ein.
Gemeinsam mit Gründer Frederik ‚Fritz’ Sturm und Brand Director Kay Heldsdörfer traf sich J’N’C zum digitalen Interview. Wir erfuhren wie Arys steigenden Durchschnittstemperaturen trotzt, was ihre Learnings aus 2020 sind und was vor allem die Deutschen Modeprofessionals und Endkonsumenten von den Japanern noch lernen können.  

Fritz, du bist ein modischer Quereinsteiger. Wie kamst du dazu, 2014 Arys zu gründen?
Fritz: Ich habe damals mein Studium beendet und war dann für kurze Zeit als Gesundheitsreformberater tätig, wohnte aber nach wie vor in Neukölln in einer Studentenwohnung. Mein Mitbewohner und ich waren richtige Trainingsanzug-Fans. Irgendwann war ich auf der Suche nach einer all-in-one Lösung: Trainingsanzüge, die man fast überall tragen kann. Als im April 2013 dann die Massentextilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte, kam mir die Idee, mein eigenes, verantwortungsvolles, anti-Fast-Fashion Label zu gründen. Mein Mitbewohner und ich fingen also an, ein paar Skizzen zu machen und uns die ersten coolen Funktionen zu überlegen. Über ein paar Ecken bin ich dann an Leute gekommen, die in der Modebranche tätig waren, die uns dann die ersten Prototypen machten. Irgendwann wurde dann die Ispo auf uns aufmerksam und wir gewannen sogar einen Award – von da an lief es immer weiter in die Richtung, in der wir heute fahren – extrem kurz gefasst. Der Auftritt auf der Ispo hat unserer Sichtbarkeit immens geholfen und japanische Einkäufer wurden auf uns aufmerksam. German Heritage funktioniert dort sehr gut, aber der deutsche Markt ist ehrlich gesagt extrem konservativ und teilweise richtig kompliziert. Rückblickend war es also ein Zickzack-Kurs, weil ich komplett ahnungslos war und viel ausprobiert habe, aber es hat mir auch viel geholfen. Wenn man mir sagte, dass etwas nicht geht, habe ich das nicht immer gleich akzeptiert. 

Was wünscht ihr euch denn vom deutschen Markt?
Kay: Ein Wunsch richtet sich an den Endverbraucher: bewusster zu konsumieren. Der andere Wunsch geht an die Branche: Pumpt den Markt nicht mit zu vielen Produkten voll! Der natürliche Abfluss der Ware ist nicht mehr gewährleistet. Das bedeutet, die Preise sind nie stabil und das wiederum ist für uns ein echtes Problem.

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Viele Marken haben scheinbar aus 2020 gelernt und ihre Herbst-/Winterkollektion 2021 kleiner aufgestellt.
Fritz: Die Marken passen sich an das Befinden der Endkonsumenten an. Und bei dem ein oder anderen ist sicherlich auch viel Gerede bei. Mode müsste viel mehr als Handwerk statt als Massenware verstanden werden. Die Wertschätzung für die Arbeit, die die Menschen hinter den Marken in ihre Produkte stecken, sie wird im Prinzip nicht wahrgenommen. Es ist sehr bedauerlich, dass man sich teilweise bei Kunden für Preise wie 500 bis 600 Euro rechtfertigen muss. Würden wir unsere Kalkulation offen legen, sähe man, dass alles sehr knapp kalkuliert ist. Mein Wunsch ist natürlich, dass in so einer Zeit wie Corona, die Leute ihr Bewusstsein schärfen. Das gilt auch für den derzeit fehlenden Einzelhandel und der damit einhergehenden fehlenden Urbanität. Das muss deutlich mehr unterstützt werden. Einfach mal weniger online kaufen und Produkte haptisch erleben. Gerade Arys ist eine Marke, die sehr von Haptik und Qualität lebt.

Nun kann man der digitalen Welt derzeit nur sehr schwer entsagen. Wie stellt sich Arys 2021 auf diese Bedingungen ein? 
Kay: Wir wollen unsere Produktionsprozesse für FS22 digitalisieren, um noch effizienter, schneller zu werden und Kapazitäten zu bündeln – sowohl beim Supplier als auch bei uns. 
Fritz: Ich mache mir hinsichtlich der rapiden Digitalisierung, auch von Messen, tatsächlich ein wenig Sorge. Wenn alles nur noch digital abläuft, geht es nicht mehr um die beste Ware, sondern um den besten Grafikdesigner, Fotografen und Videografen. Unser Kernprodukt sind gute Produkte und nicht gute Videos. 

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Apropos Produkt: Wie geht ihr zukünftig mit euren Kollektionen um? Auch in Anbetracht der noch vielen warmen Winter.
Kay: Wir sehen viel Potenzial im Aufbrechen von Saisonalität. Daher haben wir keine klassische Herbst-/Winter- oder Frühjahr-/Sommerkollektion mehr. Natürlich achten wir nach wie vor auf die Liefertermine, aber Arys hat eine saisonunabhängige Kollektion, die sich punktuell verändert oder verbessert. Dazu haben wir – sozusagen zum Herbst/Winter 2021 – unsere sogenannten ‚Trans-Seasonal Produkte’ eingeführt, die dem Layering-Prinzip folgen. Sie sollen den Konsumenten die Möglichkeit geben, ein Piece von Oktober bis März durchzutragen, vielleicht sogar bis in den Sommer hinein, wenn man die wärmenden Schichten weglässt.
Fritz: Mir ist es wichtig, dass wir unser eigenes Rad nicht immer neu erfinden müssen, sondern dass wir auch ‚future’ sind, weil wir bereits jetzt Produkte haben, die auch noch in zehn Jahren funktionieren können. Das Höchste, das man als Designer erreichen kann, ist ein Signature-Design zu kreieren, das immer funktioniert und die Zeit überdauert.

Kommen wir noch einmal auf Japan zu sprechen. Das Land hat euch sozusagen den Kickstart gebracht und nimmt Mode deutlich anders wahr. Was könnt ihr von ihren Werten nach Deutschland bringen? 
Fritz: Dass Beams damals zu mir kam, war schon ein Glücksfall und wir haben schnell gemerkt, dass Japan unser Markt ist. Dort herrscht wie gesagt ein tiefes Verständnis für Qualität, Verarbeitung und Design. Seit 2017 sind wir dort auf dem Markt vertreten und seit 2019 haben wir auch in Deutschland eine treue Streetwear-Fanbase. Das ist sicherlich auch unserem Erfolg in Japan geschuldet. Auch Einkäufer, zumindest die, die Beams kennen, sind sich der Strahlkraft dieses Retailers bewusst. Es ist demnach ein Ritterschlag, von denen eingekauft zu werden. 
Kay: Japaner kuratieren ihre Ware. Sie hängen nichts dicht gedrängt auf den Rundständern zum Durchwühlen. Sie haben ein ganz anderes Verständnis von Quadratmeter-Umsatz. Wir lernen von ihnen sehr viel dazu und lassen davon einiges in Arys einfließen – zum einen in die Produkte, aber auch in unsere Philosophie. Vielleicht einer der Gründe, warum wir selten als ‚deutsche Marke’ wahrgenommen werden, sondern als eine Marke mit japanischen Touch. 

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Wendet ihr diesen Touch auch in euren eigenen Stores an?
Fritz: Wir frischen unser Ladenkonzept demnächst auf und wollen das japanische Mindset auf jeden Fall aufleben lassen. Wenn wir es schaffen, den Deutschen etwas von dieser Wertschätzung mitzugeben, wäre das toll. Bisher war jede Japanreise wie eine Kur für mich. Dort kann man sich einen Schulterklopfer abholen, während man sich hier über den Preis zankt. (lacht)

Wie habt ihr 2020 rückblickend abgeschlossen und was kommt 2021 auf Arys zu?
Fritz: Wir sind mit mehr Kunden aus 2020 gekommen, mit geschärften Produkten, einer klareren Linie, einem noch besseren Netzwerk. 
Kay: Die Krise war auch eine Chance, mit viel Glück, die wir ergriffen haben. Aber wir haben auch gelernt und uns daher zum Ende letzten Jahres proaktiv darüber Gedanken gemacht, was es bedeutet, wenn der zweite harte Lockdown nicht wie geplant endet. Noch haben wir Puffer bis zum Auslieferungstermin, aber welcher Kunde will Ware annehmen, wenn seine Tür vorne zu ist? Daher haben wir uns vorab überlegt, wie wir darauf reagieren und was wir möglich machen können.
Fritz: Wir sind Optimisten. Es war ein gutes Scheiß Jahr. (lacht) Aber wir haben aus diesem Jahr alles herausgeholt was ging. Und unsere Lage als Marke hat sich nicht verschlechtert. Im Gegenteil: Sie hat sich sogar verbessert. Das Feld hat sich neu aufgerollt. Die Branche wurde gut durchgeschüttelt und man kann jetzt nur hoffen, dass daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. 

Arys wird derzeit von der Münchener Agentur Think Inc. vertreten.

Dieses Interview erschien in J’N’C News 1/21.