In der indigenen Aymara Sprache Boliviens bedeutet Aiayu übersetzt ‚Seele‘. Ein passender Name also für das 2005 gegründete Label von Maria Høgh Heilmann, das sich der Erhaltung des handwerklichen Erbes der Arbeit mit Lama Wolle verschrieben hat. Entworfen werden die Ready-to-Wear und Home-Pieces in ihrem Heimatland Dänemark, produziert jedoch in Bolivien, Indien und Nepal – mit dem was die Natur bietet. Damit schützt Maria Høgh Heilmann die dortigen Ressourcen, stärkt die lokale Wirtschaft und würdigt das Know-How der Einheimischen. Beispielsweise besitzen alle Fabriken Wasseraufbereitungsanlagen, die zu 100 Prozent Abwasser reinigen und recyceln. Ein Interview mit Maria Høgh Heilmann über nachhaltige Möglichkeiten, das Lieferkettengesetz und der hauseigenen Zero-Waste-Initiative.
Aiayu wurde 2005 gegründet und macht sich seitdem für Werte stark, die damals noch belächelt wurden. Was hat dich in dieser Zeit dazu gebracht, dein eigenes, nachhaltiges Label zu gründen? Was hat der Urlaub, den du kurz zuvor unternommen hast, in dir ausgelöst?
Ich habe früher als Designerin in Italien und Dänemark gearbeitet und fühlte mich wie in einem Hamsterrad gefangen. Mich hat schockiert, welche katastrophalen Folgen die Mode auf die Umwelt und uns Menschen hat. Schon lange brodelte darum der Wunsch in mir, etwas anderes zu machen. Wunderschöne Kleidung herzustellen, die verantwortungsvoll produziert wird, im respektvollen Umgang mit der Natur und den Menschen, die sie machen. Dann war ich im Urlaub in Bolivien. Ich habe Lamas gesehen, die völlig frei im bolivianischen Hochland lebten. Und Cholitas, die an jeder Straßenecke strickten. Ich habe gelernt, dass Lamawolle durch seine langen Fasern weniger stark pillt und wärmer ist als andere Wollarten. Ich war so angetan davon, dass ich unbedingt etwas mit dieser Wolle machen wollte, und zwar in Verbindung mit der lokalen Handwerkskunst. Ich empfand es einerseits als Herausforderung, andererseits freute ich mich wahnsinnig darauf, ein solches Projekt zu realisieren. Zu dieser Zeit hat in der Modebranche noch niemand über Nachhaltigkeit gesprochen oder auch nur nachgedacht. Auch ich wollte einfach nur ein Produkt herstellen, auf das ich stolz sein kann, und zwar durch alle Produktionsschritte hindurch. Die Fabrik in Bolivien war dann die erste nachhaltige Initiative von Aiayu. Mit unserer Unterstützung wurde eine bestehende Wollproduktion zu ersten Strickwarenfabrik in Bolivien erweitert.
Aiayu verfolgt ein Zero-Waste-Programm. Kannst du uns darüber mehr erzählen?
Die Modeindustrie verursacht eine unvorstellbare Menge an textilem Abfall. Gleichzeitig sind zur Herstellung von Textilien Unmengen an Ressourcen erforderlich. Ein Zustand, den wir nicht länger akzeptieren wollten. Um dagegen anzugehen, haben wir in unseren Baumwoll-Produktionsanlagen ein Zero-Waste-Programm ins Leben gerufen. Jedes Jahr verwenden wir 2.000 Kilo an biologischen Baumwollabfällen und anderen Überresten aus unserer eigenen Produktion und der anderer Marken wieder und stellen daraus andere Dinge her, beispielsweise Bänder zum Verpacken von Geschenken oder Hangtags, die wir sonst aus Einwegpapier oder Plastik machen würden. Wir upcyceln den ‚Abfall’ und machen daraus auch größere Einzelstücke wie unsere Raw Rugs. Den Gewinn, den wir mit dem Verkauf der Zero-Waste-Produkte machen, spenden wir zu 100 Prozent an eine lokale NGO für Kinder.
Aiayu ist nach SA8000, WRAP und GOTS zertifiziert und ist Unterzeichner des UN Global Compact. Das geplante europäische Gesetz über die Wertschöpfungskette (European Supply Chain Act) sollte sich da in deinen Ohren doch gut anhören. Was denkst du, wird sich dadurch grundlegend ändern? Werden Unternehmen dennoch Schlupflöcher finden, um sich vor ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt zu drücken?
Aiayu wird jegliche Schritte, die darauf abzielen, den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt zu verbessern, immer befürworten und unterstützen. Gesetzliche Bestimmungen spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, die Unternehmen in der Modebranche in die Verantwortung zu nehmen. Es ist sogar bitter nötig, dass der Gesetzgeber eingreift. Die Dinge mit Respekt, Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein zu tun, war schon immer Teil der DNA von Aiayu. Das beherzigen wir jeden Tag, egal, wie klein oder groß die Entscheidung ist, die wir treffen. Trotzdem haben auch wir längst nicht alles getan, was wir tun können. Wir wollen unsere Nachhaltigkeit und die soziale Verantwortung, die wir übernehmen, systematischer gestalten und vor allem transparenter machen. Und uns so weiterhin verbessern. Jede Art von Gesetzgebung, die diese Verbesserung vorantreibt, begrüßen wir natürlich. Die notwendigen Schritte dafür müssen jedoch an die Größe, Ressourcen und den jeweiligen Einfluss einer Marke angepasst sein. Viele Marken, so auch unsere, haben im Gegensatz zu großen Unternehmen einfach keine riesigen Teams, die sich nur um die Themen CSR-Berichte, Monitoring und Kommunikation kümmern. Deswegen hoffen wir, dass jede zukünftige Rechtsvorschrift, auch der European Supply Chain Act, die Bandbreite eines Unternehmens berücksichtigt und die Anforderungen dementsprechend gestaltet.
Ein anderes wichtiges Thema, das mehr Aufmerksamkeit verdient: Verpackungen. Ihr verpackt eure Produkte für den Versand und die Verarbeitung in biologisch abbaubaren Polybeuteln. Bestellungen an Endverbraucher werden in recyceltem Plastik aus PET- Flaschen verschickt. Und obendrein wird jede Bestellung, die in einer Geschenkverpackung geordert wird, in einer vom FSC (Forest Stewardship Council) zertifizierten Box mit einer Baumwollschleife aus eurer Zero-Waste-Initiative aus Indien geliefert. Das hört sich wirklich mustergültig an. Da fragt man sich, warum andere Unternehmen das nicht schaffen. Wie erklärst du dir diese großen Unterschiede in der Modebranche? Und wie lange wird es deiner Meinung nach noch dauern, bis sich wirklich signifikant etwas daran ändert?
Die Modebranche ist einfach unüberschaubar, kleinteilig und dezentralisiert. Das bedeutet leider, dass Veränderungen nur in kleinen Schritten erfolgen können. Trotzdem haben die Zeiten sich geändert. Es werden immer neue umweltfreundlichere Lösungen entwickelt und auch genutzt. Gerade im Bereich der Verpackungen wurde viel geforscht und investiert. Schließlich ist das ein Problem, das der Kunde direkt sieht. Aus diesem Grund wurde hier auch schon einiges erreicht. Wir sind ein kleines oder vielleicht mittelgroßes Unternehmen und können Verbesserungen deswegen relativ schnell umsetzen. Nichtsdestotrotz hoffen wir natürlich, dass andere unserem Beispiel folgen, vor allem jetzt, wo diese Lösungen immer skalierbarer werden. Wahrscheinlich werden viele Unternehmen am ehesten bei den Verpackungen etwas verändern, weil sie bestehende Produkte eins zu eins und relativ unkompliziert ersetzen können. Aber darum alleine geht es nicht, einfach nur ein Material durch ein anderes zu ersetzen. Es geht auch darum, das Verpackungsmaterial insgesamt zu reduzieren. Glücklicherweise wollen Kunden heutzutage ihre Bestellung auch nicht mehr in Unmengen von unnötigem Verpackungsmaterial eingewickelt bekommen. Und das ist ein klarer Anreiz für Unternehmen, etwas zu ändern.
Euer Produktportfolio umfasst Bekleidung für Männer und Frauen, Zubehör und Heimtextilien. Ihr seid ein starkes Team, vor allem jetzt, wo sich die Wertvorstellungen der Menschen durch die Pandemie verändert haben. Wie habt ihr diese Krise erlebt und was habt ihr aus ihr gelernt?
2020 war ein schwieriges Jahr. Die COVID-19-Pandemie hat uns allen unsägliches Leid gebracht. Und uns gleichzeitig deutlich vor Augen geführt, welchen globalen Herausforderungen wir uns dringend gemeinsam stellen müssen. Uns hat die außergewöhnliche Situation gezwungen, flexibel zu reagieren und uns anzupassen. Dennoch sehen wir uns mehr denn je in der Verpflichtung, etwas für das Wohlergehen der Menschen, Communities und Ökosysteme entlang unserer Wertschöpfungskette zu tun. Die Pandemie hat das Fundament, auf dem Aiayu gegründet wurde, nämlich auf starken, respektvollen Partnerschaften mit unseren Produktionspartnern, eigentlich nur bestätigt. Wir konnten sogar neue Produktionspartner in unsere Familie mitaufnehmen und haben gleichzeitig unsere Beziehungen zu unseren bestehenden Zulieferern weltweit gestärkt. Wir haben uns in dieser Pandemie gegenseitig den Rücken gestärkt – wie es Partner eben tun.
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