Travelgear – Warum ein Koffer mehr als nur ein Koffer ist

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Rimowa Attaché GoldFoto: Presse

Als ich vor wenigen Wochen aus dem ICE am Hamburger Hauptbahnhof ausstieg und mich gedankenverloren auf die Rolltreppe stellte, war irgendetwas anders als sonst. Es dauerte nicht lange, bis ich entsetzt bemerkte: Mein Koffer fehlt! Ich gebe zu, leicht panisch sprintete ich zurück zum Zug, dessen Türen bereits anfingen zu piepen und quetschte mich in letzter Sekunde zurück zu meinem Gepäck. Geschafft! Doch um ein Haar hätte ich meinen Koffer verloren. Und das nur, weil er so einfach in der Handhabung war, dass ich ihn kaum bemerkt, ja fast schon vergessen hatte. Nun ist der beinah Fauxpas jedoch nicht auf mein unbemerkbares Gepäckstück, sondern auf meine Schusseligkeit zurückzuführen. In meinem kleinen Gepäck-Guide erkläre ich jedoch, warum ein Koffer mehr als nur ein Koffer ist.

Das kleine Zuhause zum Mitnehmen

Wer wie ich, viel reist und in kurzen Abständen unterwegs ist, kommt unweigerlich zum Schluss, dass der Koffer als kleines Zuhause zum Mitnehmen fungiert. Er soll einem die Reise erleichtern, statt sie zu erschweren. Also: Was macht einen guten Koffer aus und was soll er auf jeden Fall haben?

Rollen – Schieben statt ziehen

Ganz klar: Ohne vernünftige Rollen geht gar nichts! Sie müssen einwandfrei funktionieren und mit verschiedenen Böden zurecht kommen – ob glatter Flughafenboden, unebener Trampelpfad, rauer Asphalt oder hartes Kopfsteinpflaster. Daher lautet meine Faustregel: Vier Rollen sind besser als zwei. Und keine Rollen sind keine Option.
Hat der Koffer vier Rollen, bedeutet das, dass er aufrecht steht und damit eine zusätzliche Ablagefläche für eine weitere Tasche bietet. Vier Rollen bedeuten aber auch schieben statt ziehen, was gerade bei schwerem Gepäck einen großen Unterschied macht. Der rundum-sorglos Koffer meiner Träume ist daher mit 360 Grad Rollen und Kugellagern ausgestattet, um maximale Rollfähigkeit zu erreichen. Alles andere – und das habe ich oft genug getestet – funktioniert auf Dauer einfach nicht. Denn irgendetwas geht immer kaputt – und sei es nur der Verschleiß der Rollen. Dann wird aus einem mühelosen Gleiten ein echter Kraftakt.
Ich halte es daher für klug, lieber ein paar Euro mehr zu investieren, um einen fast schon wohlwollend modischen Schatten an der Seite haben, als etwas hinter sich herzuziehen, das gefühlt gar nicht mit will.

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Justus Hansen unterwegs zur Pitti Uomo. Foto: Oğuz Kaya

Hartschale versus Weichgepäck

Sicherlich handelt es sich hier um eine reine Geschmacksache, aber ich persönlich favorisiere Hartschale, da hier absolute Gewissheit herrscht, dass der Inhalt von einer festen Hülle geschützt ist und nicht durch das Gewicht anderen Gepäcks, beispielsweise im Frachtraum eines Flugzeugs, beschädigt werden kann.
Ob man sich letzten Endes für die Premium-Variante aus Aluminium oder Hartplastik entscheidet, ist eine Budgetfrage, wobei ich auch hier sagen muss, dass sich der Mehrbetrag lohnt, denn: Plastik kann brechen, Aluminium nur verbeulen.

Die richtige Größe

Kommen wir zu einer der wichtigsten Fragen: Wie groß muss ein Koffer überhaupt sein?
Im Grunde braucht man genau zwei Koffer und eine Reisetasche. Einmal einen Cabin Trolley (Handgepäckskoffer) für kürzere Trips, die gerade bei Flügen ohne zusätzlich gebuchtes Gepäck wichtig sind. Um bei möglichst allen Fluggesellschaften als Handgepäck durchzugehen, empfehle ich die Durchschnittsmaße von 55 cm Höhe x 40 cm Länge x 23 cm Tiefe.
Der Größere von beiden Koffern, sollte auf Reisen von mindestens zwei Wochen ausgelegt sein. Hier sollte man sich aber vorab Gedanken darüber machen, welche Art von Reisetyp man ist. Reist jemand beispielsweise prinzipiell eher in Städte und in den Sommerurlaub, braucht man weniger Platz, als wenn man viel Wintersport betreibt und sperrige Skiutensilien von vornherein viel Platz rauben.
Mein größter Koffer hat die Maße von 79 cm Höhe x 51 cm Länge x 27.5 cm Tiefe und wiegt 6,2 kg. Denn natürlich spielt auch das Gewicht eine große Rolle, da die meisten Airlines eine Toleranz bis 23 kg für aufzugebendes Gepäck haben. Alles darüber wird teuer!

Die Reisetasche aka der Weekender

Der Weekender ist das Reise-Chamäleon unter der Travelgear. Entweder er ist das einzige Reisegepäckstück auf Kurzstrips, wenn man auch wirklich nur das Nötigste braucht, oder er ist das clevere Add-on bei Städtetrips und längeren Reisen.
Und: Der Weekender ist nicht nur der optimale Zeitsparer beim Securitycheck am Airport, sondern erspart auch den peinlich-intimen Einblick in deinen Cabin Trolley, wenn es wieder heißt: „Haben Sie sie einen Laptop oder Flüssigkeiten dabei?“

Alles im Griff

Je mehr verstellbare Stufen, desto besser. Ungemein wichtig ist es, beim Kauf auf die Höhe der verstellbaren Stufen des Griffs zu achten und, ob man mit diesen denn auch zurechtkommt. Ich hatte es nämlich schon mehr als einmal, dass ich nicht explizit darauf achtete, und mir die Stufen dann entweder zu niedrig oder zu hoch waren. Wenn sich dann zu den üblichen Orientierungsproblemen an fremden Flughäfen auch noch das ständige Gefühl baldiger Schulterschmerzen einmischt, kann das starken Einfluss auf die ohnehin schon angespannte Reise-Grundstimmung haben. Und das muss wirklich nicht sein.

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Rimowa Berry Foto: Presse

Sicherheit

Einen Koffer ohne Schloss an einem Ort (Flughafen/Hotel) abzugeben und Stundenlang nicht zu wissen, wer damit in Berührung kommt, hat für mich in etwa den gleichen Effekt wie sein Auto am Straßenrand zu parken und nicht abzuschließen. Abgeschlossen lebt es sich also nicht nur sorgenfreier, sondern nimmt der Versicherung, im Falle entwendeter Gegenstände, auch jegliche Basis für Gegenargumente.

Nametag

Sicherlich nicht lebensnotwendig, aber ein nützliches Nice-to-have. Denn ein Nametag ist nicht nur ein praktisches Alleinstellungsmerkmal am dicht umkämpften Gepäckband, sondern auch eine Möglichkeit, den Koffer ganz einfach zu individualisieren. Kleiner Tipp: Dies ist auch eine tolle Geschenkidee, da nur wenige sich ein Nametag selbst kaufen.

Vom Nametag zum Pricetag – Muss er teuer sein?

Ich würde weniger teuer als teurer sagen. Besser durchdachte und verarbeitete Produkte sind zwangsläufig kostenaufwändiger als vergleichbares auf dem Markt, halten aber nun mal auch länger und kosten einen weniger graue Haare, wenn sie funktionieren, wie sie sollen. Wer einmal einen Koffer mit nur drei von vier funktionierenden, stark abgenutzten Rollen interkontinental transportiert hat, weiß wovon ich rede. Derartige Probleme kann man sich mit einem Qualitätsprodukt ganz einfach sparen und sich bei der Reise auf den eigentlichen Sinn des ganzen zu konzentrieren: die Reise an sich.
Meiner Erfahrung nach, sollte man bei einem Cabin Trolley mit mindestens 250 € rechnen. Wirklich gute Exemplare findet man von den Marken Horizn Studios, Kuuno und Away – alle persönlich getestet und für gut befunden. Im Luxusbereich habe ich Modelle von Montblanc und Rimowa getestet, für die man mit jeweils 600 € und 800 € aufkommen muss. Tatsächlich warten diese Firmen aber auch über Jahre mit zuverlässigen Produkten und gutem Kundenservice auf.
In Sachen Check-In Gepäck schob ich bisher nur Rimowa und Samsonite länderübergreifend durch die Gegend. Qualitativ sehr gut, aber preislich deutlich höher angesetzt, ist das Gepäck des Kölner Unternehmens.

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Horizn Studios ID Foto: Presse

Final Call

Aus meinem Gepäck-Dojo entlasse ich euch aber natürlich nicht ohne die nötigen Tipps & Tricks! Schließlich soll für euch die richtige Reisevorbereitung so einfach und fehlerfrei zu bewältigen sein wie der allmorgendliche Gang zur Arbeit. Hier also mein Schlusswort:

Packliste schreiben, Packliste abarbeiten, Packliste wegwerfen

Wer eine Liste führt, vergisst garantiert nichts! Da es bei mir beruflich bedingt, gerade auf Reisen, besonders wichtig ist, zum einen hundertprozentig dem Anlass entsprechende, aber auch ausreichend Outfits mit mir zu führen, fing ich an, Packlisten zu erstellen und kann es wirklich jedem weiterempfehlen. Überleg dir zunächst genau, wohin du fliegst (Klima), warum du dorthin fliegst (Anlass) und für wie lange (Menge). Dann erstelle deine Looks pro Tag. Schreib genau auf, welches Teil du für das jeweilige Outfit vorgesehen hast, auch wenn eines doppelt vorkommen mag. Während des Packens kannst du eines nach dem anderen durchstreichen und nach dem letzten Artikel absolut sicher gehen, dass du nichts vergessen hast.
Glaubt mir, es gibt fast nichts Beruhigenderes, als vor Reiseantritt zu wissen, dass man an alles gedacht hat.

Harte Schale, weicher Kern – Was beinhaltet ein guter Koffer?

‚Außen Hui, innen Pfui’ soll ein Sprichwort bleiben und nicht zur Beschreibung deines Koffers werden. Was also beinhaltet ein guter Koffer?
Um immer möglichst fehlerfrei und vor allem schnell zu packen, empfehle ich den Koffer nach der Heimkehr nie ganz leer zu machen, sondern die nötigsten Grund-Utensilien für die nächste Reise gleich darin zu lassen. Diese unterscheiden sich natürlich je nach persönlicher Präferenz, im Kern jedoch Produkte wie ein zweites Aufladekabel fürs Smartphone, einen Mehrfachstecker mit USB Anschluss, einen Kulturbeutel samt Miniaturausgabe täglicher Kosmetik-Artikel (gute Anlaufstelle für diverse Umfülltiegel und Plastikbeutelchen ist Muji) und zu guter Letzt: Beutel für Dreckwäsche.

Wer sich an meinen Guide hält, sollte für die nächste Reise gut gerüstet sein – auch, wenn der Koffer dann mal gedankenverloren zurückgelassen wird. Denn immerhin ist er dann richtig abgeschlossen. Haftung übernehme ich aber nicht…

Justus Hansen zählt fast 400.000 Follower auf seinem Instagram Account und teilt dort seine Sicht auf Menswear. Auf J’N’C Online bekommen unsere LeserInnen jeden Monat einen ausführlicheren Einblick auf sein Verständnis von Mode und Lifestyle.