Made in Europe: Ege Organics im Fokus

Selim Ünsal
Foto: Selim Ünsal, Head of European Office bei Ege Organics

Wie das Textilunternehmen Ege Organics mit seinen Technologien die Industrie nachhaltiger machen möchte, warum die Verbindung Deutschland-Türkei dabei eine Rolle spielt und was der Claim ‚Made in Europe‘ mit Kreislaufwirtschaft zu tun hat, verrät uns Selim Ünsal, Head of European Office bei Ege Organics, im Gespräch. Mehr zu dem Thema ‚Made in Europe‘ sowie viele weitere Gesprächspanels rund um Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Modebranche gibt es auf der Fashion Changers Konferenz am 20. Oktober 2023 in Berlin.

Regenerative Praktiken von Ege Organics Foto: Presse

Lieber Selim, die Produktionsstätte von Ege Organics befindet sich in der Türkei, aber Sie operieren von Bremen aus. Welche Vorteile bietet Ihnen diese lokale Präsenz auf dem sehr gefragten DACH-Markt?
Was uns von anderen abhebt, ist, dass wir nur mit nachhaltigen Materialien arbeiten. Im Vergleich hat das Thema Nachhaltigkeit in der DACH-Region einen viel höheren kulturellen Stellenwert als im Rest der Welt. Daher ist dieser Markt der Ort, an dem unsere Arbeit am ehesten verstanden und wertgeschätzt wird. Mit einem Büro in Deutschland können wir unsere Werte besser kommunizieren. Wir schöpfen großes Vertrauen aus der Tatsache, dass wir in Zentraleuropa Fuß gefasst haben, indem wir unsere Arbeit auf die europäischen Nachhaltigkeitsvorschriften stützen. Auch für die Marken ist diese Synergie aus türkischer Produktion und deutschem Netzwerk lukrativ.

Die Kreislaufwirtschaft ist eines der wichtigsten Themen in der Textilproduktion, da sie vorhandene Ressourcen nutzt und somit eine der umweltfreundlichsten Formen der nachhaltigen Modeproduktion darstellt. Ege Organics tut viel für die Nachhaltigkeit, insbesondere für die Kreislaufwirtschaft. Wie ist der Status quo bei Ihren Entwicklungen/Materialinnovationen und Unternehmensaktivitäten?
Die Materialauswahl ist der wichtigste Schritt in der Kreislaufwirtschaft. Wir betreiben eigene Anbauprojekte für Bio-Baumwolle und -Hanf, so dass wir in der Lage sind, Fasern individuell zu mischen und zu kombinieren, um neue Stoffe zu entwickeln, die sich für das Recycling am Ende des Lebenszyklus eignen. Damit begrenzen wir die Verwendung von synthetischen Stoffen, die durch natürliche Materialien ersetzt werden können.

Regenerative Baumwollproduktion in Izmir Foto: Presse

Die Kreislaufwirtschaft ist jedoch nicht nur ein komplexer Prozess, sondern stößt auch schnell auf Hindernisse. Welche Maßnahmen sollte die Industrie generell ergreifen, und welche Schritte sollten die Verbraucher:innen unternehmen, um sicherzustellen, dass konkrete Ergebnisse für mehr Nachhaltigkeit erzielt werden?
Zunächst muss die Sammel- und Sortierinfrastruktur verbessert werden, denn es ist oft schwierig, eine nachhaltige Versorgung mit Materialien zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen Marken bei der Auswahl ihrer Materialien aufmerksamer werden und Designs entwickeln, die sich besser für den Kreislaufprozess eignen. Kund:innen, die sich aktiv für ein nachhaltiges und aus der Kreislaufwirtschaft stammendes Produkt entscheiden, sollten belohnt werden. Wie? Zum Beispiel mit einer finanziellen Entschädigung. Dies würde auch die Nachfrage nach Kreislaufprodukten erhöhen, was wiederum die Entwicklung der Technologie für die Produktion und die Infrastruktur für die Sammlung verbessern würde. Es ist alles ein Kreislauf.

Welche Partnerschaften oder Kooperationen ist Ege Organics eingegangen, um nachhaltige Produktionspraktiken in der Branche zu fördern?
Wir haben verschiedene Partnerschaften, Kooperationen und Projekte, um nachhaltige Produktionspraktiken zu fördern. Um die biologische und regenerative Herkunft unserer Materialien zu garantieren, unterstützen wir drei lokale Landwirtschaftsbetriebe in Izmir – zwei Baumwollprojekte und eins zur Hanfproduktion. Die Initiativen garantieren den Landwirten, dass ihre Erträge aufgekauft werden, damit sie sich bessere Anbaumethoden leisten können. Förderprogramme für existenzsichernde Löhne sowie – ganz neu – die Nachhaltigkeitsberatung für Modeunternehmen, gehören ebenfalls zu unseren Maßnahmen für die Branche.

In der Textilproduktion wird viel Greenwashing betrieben. Welche Nachhaltigkeitslüge würden Sie am liebsten sofort aus der Welt schaffen?
Übermäßiger Gebrauch des Wortes ‚nachhaltig‘ in Großbetrieben mit konventionellem Kund:innenstamm. Bei der allgemeinen Verwendung des Begriffs werden alle Standards miteinander vermischt, die nicht zusammengehören. Zum Beispiel sollte ein GOTS-zertifiziertes T-Shirt nicht in dieselbe Nachhaltigkeitskategorie fallen wie ein BCI-zertifiziertes.

Bluesign-zertifizierte Färbestation in der Türkei Foto: Presse

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach das Label ‚Made in Germany‘ oder ‚Made in Europe‘ für die Verbraucher:innen und welche geschäftlichen Herausforderungen bringt es unternehmerisch für Sie mit sich?
Im Allgemeinen assoziieren die Verbraucher die Labels ‚Made in Germany‘ und ‚Made in Europe‘ mit umweltfreundlicher und ethischer Produktion, aber es kann auch irreführend sein, da sich die Angaben nur auf den Herstellungsprozess der Kleidung beziehen und nichts über die Herkunft des Materials aussagen. Auch in der Landwirtschaft wird viel gearbeitet, und schlechte Praktiken können auch hier die Ausbeutung der Arbeiter bedeuten. Ich glaube, dass die Zukunft der Industrietransparenz ‚Made in‘-Claims ersetzen wird –mit transparenten Lieferketten wären sie beispielsweise überflüssig. Ege Organics hat einen direkten Zugang zu der gesamten Lieferkette und kann mit Stolz sagen, dass ‚Made in Europe‘ für uns keine geschäftliche Herausforderung darstellt. Wir haben auch das Glück, Kund:innen hier in der DACH-Region zu haben, die den Unterschied zwischen Marken, die diese Angaben nur als Marketingmaßnahme nutzen, und solchen, die wirklich in Nachhaltigkeit investieren, verstehen.

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