Gastkommentar: KI und der Einzelhandel – Technologie und Transformation

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Die Welt des Einzelhandels hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Herausforderungen wie langsameres Wirtschaftswachstum, geopolitische Unsicherheit und Inflationsdruck haben das makroökonomische Klima in Europa im Jahr 2023 deutlich erschwert. Doch trotz dieser Widrigkeiten gestalten sich die Aussichten für den stationären Handel in den kommenden Jahren positiv.

Die Wiedergeburt physischer Läden

Für Europa wird im Jahr 2024 ein BIP-Wachstum von 0,9 Prozent und 1,9 Prozent im Jahr 2025 prognostiziert. Dieses erwartete Wachstum, gepaart mit einer voraussichtlichen Senkung der Inflation auf 2,0 Prozent bis Ende 2024, wird aller Voraussicht nach zu einem Anstieg der Einzelhandelsumsätze führen. Damit könnte sogar das Niveau vor der Pandemie übertroffen werden. 

Während also das Vertrauen in die Wirtschaft wächst, wird sich der Markt für Einzelhandelsimmobilien warmlaufen. Dies kann zu einem Mietwachstum für erstklassige Einzelhandelsflächen in ganz Europa führen, da sichere, kapitalstarke Einzelhändler Expansionspläne umsetzen und neue Geschäfte eröffnen können. Da sich der Wettbewerb um qualitativ hochwertige Flächen verschärfen wird, wird erwartet, dass sich der geografische Fokus von Investoren in Einzelhandelsimmobilien ausweitet und neue Gebiete mit erstklassigem Mietwachstum entstehen werden. Die Einzelhändler werden zudem verbesserte Storelayouts umsetzen können, Läden verkleinern und das Ladenportfolio reduzieren, um Margen zu optimieren.

Vor allem neue Technologien werden hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) steht im Mittelpunkt dieses digitalen Investitionsbooms. Sie wird eingesetzt, um das Omnichannel-Erlebnis der Verbraucher zu verbessern, sie über mehrere Plattformen hinweg anzusprechen und die Effizienz der Lieferkette zu steigern.

KI im Einsatz vor Ort

Die Zeiten, in denen das Einkaufen sauber in Online- und Offline-Erlebnisse unterteilt war, sind vorbei. Eine Studie des IBM Institute for Business Value (IBV) aus dem Jahr 2022 besagt, dass „die Verbraucher von heute Online- und Offline-Einkäufe nicht mehr als getrennte Erlebnisse betrachten. Sie erwarten, dass alles ständig miteinander verbunden ist.“ (Consumers Want it All; IBM Institute for Business Value. January 2022) Fortschrittliche Algorithmen werden immer besser darin, Einkaufs- und Browsing-Daten in ein personalisiertes und nahtloses Omnichannel-Erlebnis umzuwandeln. Dynamische Preisgestaltung und ausgeklügelte Abonnementmodelle, die auf Echtzeit-Datenanalysen basieren, versprechen ebenfalls eine Revolution bei der Festlegung und Anpassung von Preisen und Rabatten. Außerdem tragen sie dazu bei, die Kunden durch eine persönlichere Ansprache langfristig zu binden.

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Physische Geschäfte werden daher fortlaufend automatisiert und mit Sensoren, Kameras sowie biometrischen Zugangs- und Zahlungssystemen ausgestattet. Dies ist nicht nur kostensparend, sondern kann zur Minimierung von Ladendiebstählen beitragen, denn die Zahl der Diebstähle in Geschäften und Distributionszentren ist seit Einführung von Selbstbedienungskassen explodiert. 66 Prozent der Einzelhändler gaben an, dass Verluste an Selbstbedienungskassen ein wachsendes Problem darstellen, und berichteten, dass 20 Prozent der Kunden etwas gestohlen haben, während sie Selbstbedienungskassen benutzten. ( New York Post, Walmart’s bid to cut shoplifting at self-checkout counters leads to surge in ‘hostile’ encounters with customers’, October 2023) Sogenannte ‚Just-Walk-Out-Stores‘ können hier Abhilfe schaffen. Diese kassenlosen Läden sind nicht nur wegen ihrer Arbeitsersparnis und der Möglichkeit attraktiv, rund um die Uhr geöffnet zu bleiben, sondern auch, weil sie eine persönliche Identifizierung über Zahlungskarten oder biometrische Scans für das Betreten und das Zahlungsverfahren erfordern. Dieses reibungslose Einkaufs- und Bezahlsystem wird wahrscheinlich auch von Verbrauchern angenommen werden, da es Zugang und Bezahlung beschleunigt und ein höher zufriedenstellendes Einkaufserlebnis ermöglicht. So kann sich das Personal verstärkt auf das Nachfüllen von Artikeln und die Verbesserung des Kundenservices konzentrieren.

Mit KI durchs Web

Unabhängige Stimmen und soziale Kanäle beeinflussen zunehmend das Kaufverhalten der Verbraucher. Diese Veränderung hat Einzelhändler dazu veranlasst, ihre Kommunikations- und Marketingstrategien zu überdenken. Social Shopping, die Verschmelzung von Social Media und E-Commerce, wird daher im Jahr 2024 ein wichtiges Einsatzfeld für den Einzelhandel werden.

Die Generation Z spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie gilt als besonders anspruchsvoll und erwartet, dass Marken ein soziales Gewissen haben, mit ihren politischen Ansichten übereinstimmen und ihre Perspektiven widerspiegeln. Einzelhändler werden deshalb Algorithmen nutzen, um die Aktivitäten in den sozialen Medien mit ihrer Online-Präsenz zu verknüpfen, so dass sie die Aktivitäten der Verbraucher in den sozialen Medien verfolgen und ihnen passende, inspirierende Produktvorschläge machen können.

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Intelligente Lösungen für die Logistik

Unabhängig davon, ob der Verbraucher im Geschäft oder online shoppt, erwartet er, dass die Waren vorrätig sind und ihn rechtzeitig erreichen. Von der Kaufabwicklung bis hin zur Lieferung ist Schnelligkeit ebenso wichtig wie Bequemlichkeit. Diese hohe Liefererwartung übt einen enormen Druck auf die Lieferketten des Einzelhandels aus. Auch hier ist Technologie gefragt. Ziel muss also sein, dass sich Geschäfte in kombinierte Einzelhandels- und Logistikzentren verwandeln, die sowohl Online- als auch In-Store-Kunden bedienen können. Dabei spielen Angebote wie ‚Click-and-Collect‘ oder ‚Click-and-Retour‘, die in der Filiale die Abholung beziehungsweise Rücksendung online bestellter Ware ermöglichen, eine entscheidende Rolle. KI-gestützte Planungs-, Dispositions- und Entscheidungsintelligenz-Tools können hierbei Unterstützung bieten und Prognosen verbessern, Betriebskosten senken sowie eine agilere und flexiblere Lieferkette entwickeln. 

Neben der effizienteren Abwicklung der Waren, bringt die Zusammenführung der Offline- bzw. Onlinepräsenz auch enorme Vorteile in der Kundendatenerfassung. Diese Daten ermöglichen es, beispielsweise den Wohnort der Kunden festzuhalten und ermöglichen somit eine stärkere Lokalisierung. Des Weiteren können Anbieter das Kaufverhalten der Menschen in der jeweiligen Region nachverfolgen und das Sortiment an das Konsumverhalten der Kunden anpassen. Insbesondere in Kombination mit dem Einsatz von 5G-Beacons erlauben diese Daten, personalisierte und kontextbezogene Werbeaktionen anzubieten und den Kunden Anreize zu bieten, sich dem Einzelhandelsgeschäft zu nähern.

Anpassungsfähigkeit ist gefragt

In einer Landschaft, die von schnellem Wandel und noch nie dagewesenen Herausforderungen geprägt ist, wird die Fähigkeit, sich anzupassen und das Potenzial künstliche Intelligenz zu nutzen, der Dreh- und Angelpunkt für Führungskräfte sein. Alle bisher genannten Faktoren erfordern eine bessere Nutzung von Daten. Die richtigen Grundlagen zu schaffen, die physischen und digitalen Abläufe sowie die damit verbundenen Daten in einer Omnichannel-Plattform zusammenzuführen, ist entscheidend. Sie muss Sinn ergeben und gleichzeitig die Supply-Chain-Abläufe unterstützen. So kann es gelingen, sich auf das Jahr 2024 einzustellen. 

Wir sollten also davon ausgehen, dass Einzelhändler auch in diesem Jahr ein immer höheres Maß an digitaler Raffinesse anstreben, wobei sich ein klares Gefälle zwischen denjenigen abzeichnen wird, die in der Lage sind, diese Tools zu nutzen, um Einblicke und Mehrwert zu liefern, und denjenigen, denen dies nicht gelingt.

Auch ein Blick über 2024 hinaus bleibt spannend. Vor kurzem habe ich mein fünfjähriges Jubiläum bei P3 feiern dürfen und allein in diesem, vergleichsweise kurzen Zeitraum hat sich bereits vieles bedeutend verändert. Innovationen schreiten immer schneller voran, da bleibt es interessant zu sehen, was die kommenden fünf Jahre für uns bereithalten.

P3 Sönke Kewitz
Sönke Kewitz, Geschäftsführer P3 Deutschland Foto: Elfriede Liebenow Fotografie

About Sönke Kewitz

Sönke Kewitz ist Geschäftsführer von P3 Deutschland, einem langfristigen Eigentümer und Entwickler von europäischen Logistikimmobilien mit über 8,5 Mio. Quadratmeter vermietbarer Fläche und einer Landbank von 2 Mio. Quadratmeter für weitere Entwicklungen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten investiert und entwickelt das Unternehmen auf den europäischen Märkten und ist inzwischen in elf Ländern aktiv. Mit Hauptsitz in Prag beschäftigt P3 mehr als 270 Mitarbeiter in elf Büros in wichtigen europäischen Städten und unterstützt Kunden aus unterschiedlichsten Branchen von der Standortwahl über die Genehmigung, Beschaffung und Konstruktion der Logistikimmobilien hinaus bis zum Property Management.