So steht es um die Chancengleichheit in der Modebranche

Frau vor dem Wort Feminist zum Thema Chancengleichheit
Onygos Kampagne zum Weltfrauentag 2021Foto: Onygo

Wussten Sie, dass weniger als 50 Prozent aller Bekleidungsstücke für Damen von Frauen entworfen werden und sogar nur 14 Prozent der großen Modehäuser eine weibliche Führungskraft an der Spitze haben? Mehr noch: Ganze 101 der 160 börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben laut dem AllBright-Bericht 2020 keine einzige Frau in der Führungsetage. Chancengleichheit? Fehlanzeige! Das Magazin Lifestyleslab hat sich mit dem Report ‚Women on Top of Fashion’ genau diesem Ungleichgewicht gewidmet und ist den aktuellen Zahlen auf den Grund gegangen.

Aktuelle Zahlen: Deutschlands Gleichstellung im europäischen Vergleich

Verglichen mit den derzeitigen europäischen Spitzenreitern gibt es bei vielen deutschen Unternehmen, in der Gesellschaft und Politik noch Handlungsbedarf zur Gleichstellung der Geschlechter. Der Equality Index in Europa (siehe Grafik) macht es deutlich: Deutschland liegt mit 67,5 von 100 möglichen Punkten knapp unter dem europäischen Durchschnitt (67,9) und belegt damit nur Platz zwölf. Schweden liegt im Gegenzug mit 83,8 Punkten auf Platz eins, dicht gefolgt von Dänemark (77,4 Punkte) und Frankreich (75,1 Punkte).
Das European Institute for Gender Equality warnt im Zuge der aktuellen Entwicklung vor den langsamen Fortschritten: Sollte sich die Gleichstellung der Geschlechter im selben Tempo weiterentwickeln wie bisher, ist Europa in etwa 60 Jahren am Ziel – das dauert eindeutig zu lange! 

Grafik zur europäischen Chancengleichheit

Frauen in der Mode: Führungspositionen und Rollenbilder

Die Historie der Gesetzeslage zeigt beim genaueren Hinsehen, dass die Gleichstellung und Unabhängigkeit der Frauen nicht erst seit heute ein Problem ist. Bereits seit vielen Jahrzehnten kämpft das weibliche Geschlecht für seine Rechte. Dazu gehörten einerseits politisch-aktivistisch, Demonstrationen und Aufstände. Andererseits wurde aber auch in anderen für uns heute so selbstverständlichen Bereichen für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung gekämpft – wie beispielsweise in der Mode. Es waren Frauen wie Coco Chanel, Anna Wintour oder auch Audrey Hepburn. Sie bewiesen in einer konservativen Zeit Mut zur ‚Andersartigkeit’ und zeigten, dass auch das weibliche Geschlecht dominant sein und Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann.
Frauen rebellierten also schon in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts mit Mode und erregten Aufsehen. Doch welche Macht hat die Mode heute? Heißt das, dass Frauen die Führungskräfte der Mode sind? Wie steht es um die Gleichstellung in Führungsebenen großer Modehäuser? Gar nicht mal so gut! Die Studie von McKinsey zur Frauenquote der Top-10-Modeunternehmen (nach Gewinn) aus dem Jahr 2018 zeigt, dass es Nachholbedarf gibt. Keiner der Unternehmen hat mehr als 36 Prozent Frauen in den Führungspositionen gibt. Spitzenreiter Inditex erreicht mit vier von elf weiblichen Executive-Board-Mitgliedern immerhin eine Frauenquote von 36 Prozent.

Grafik zur Chancengleichheit
Quelle: McKinsey

Warum ist der Weg zur Führungskraft in der Modebranche für Frauen so schwer?

1. Fehlende interne Messungen 
Zwar geben Unternehmen bis zu acht Milliarden Dollar für Diversity-Schulungen aus, die Umsetzung von hilfreichen Maßnahmen liegt allerdings häufig noch immer bei der Personalabteilung – ohne echtes Engagement vom CEO. Zudem fehlen oft aussagekräftige Metriken zur Erfolgsmessung über die interne Entwicklung der Thematik. 

2. Gesellschaftliche Rollenbilder
Von klein auf werden Frauen darin bestärkt, gründlich und gewissenhaft zu sein. Später im Berufsleben bewerben sie sich nur dann für eine Stelle, wenn sie zu 100 Prozent die Anforderungen erfüllen. Männer bewerben sich dagegen schon bei einem Fit von 60 Prozent. 

3. Unbewusste Vorurteile
Wir verbringen etwa 40 Prozent mehr Zeit damit, nach Informationen zu suchen, die unsere bisherigen Überzeugungen bestärken, anstatt nach neuen Meinungen zu forschen. So ist rund die Hälfte aller Männer und ein Drittel aller Frauen der Meinung, dass Frauen in Unternehmen mit nur zehn Prozent weiblicher Führung ausreichend und gut vertreten sind. 

4. Fehlende Konzepte für Familienplanung 
Frauen, die wegen der Familiengründung eine berufliche Pause einlegen, müssen nach ihrer Rückkehr ins Berufsleben häufig einen Karriererückschritt in Kauf nehmen. Eine Beförderung in die Chefetage rückt damit automatisch in weite Ferne. 

Grafik zur Chancengleichheit
Quelle: pwc.com

Unternehmerinnen im Profil: Wer sind die Frauen an der Modespitze?

Chancengleichheit
Madeleine Alizadeh, Gründerin Dariadéh

Madeleine Alizadeh, Gründerin Dariadéh
Sie ist eine österreichische Influencerin und Aktivistin. Außerdem setzt sie sich stark für den Umweltschutz ein. Sie ist Gründerin des Modelabels Dariadéh, das 2017 aus einer Kooperation mit dem deutschen Ministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit entstanden ist. 

Chancengleichheit
Stefanie Giesinger, Gründerin NU-IN

Stefanie Giesinger, Gründerin Nu-In
Sie ist Model und Influencerin und gründete gemeinsam mit Marcus Butler das nachhaltige Modelabel Nu-In. Stefanie Giesinger hat es geschafft, mit nur 24 Jahren nicht nur ein erfolgreiches Model, sondern auch erfolgreiche Gründerin eines Modelabels zu sein.

Chancengleichheit
Leyla Piedayesh, Gründerin Lala Berlin

Leyla Piedayesh, Gründerin lala Berlin
Die iranisch-deutsche Modeschöpferin und Unternehmerin ist die Gründerin des Labels Lala Berlin. Seit 2004 gedeiht das Unternehmen bereits unter ihrer Führung. Die Marke selbst bezeichnet sich als mutig, dynamisch und unkompliziert.

Chancengleichheit
Julia Bösch, Gründerin Outfittery

Julia Bösch, Gründerin Outfittery
Julia Bösch bezeichnet sich selbst als Unternehmerin aus Leidenschaft. Die studierte Betriebswirtin erlernte ihre unternehmerischen Skills im Center for Digital Technology & Management neben ihrem Studium. 2012 gründete sie Outfittery. Bis heute arbeitet sie bei Outfittery als CEO.

Chancengleichheit fördern

Am Ende des Tages können wir alle bereits mit kleinen Schritten einen Teil zur Gleichstellung beitragen. Beispielsweise können Sie sich im Vorfeld darüber informieren, welche Marken und Läden die Gleichstellung bereits anstreben oder umsetzen, und dort kaufen. Weiterhin können Sie Kommentare auf Social-Media-Plattformen oder Rezensionen bei Google schreiben. Damit können Sie ein Unternehmen zum Nachdenken sowie einem internen Austausch anregen.

Die Frauen in Deutschland haben bereits einiges für die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Doch trotz neuer Gesetze und einer positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, sind unser Alltag, Arbeitsplatz sowie das Gesetzbuch noch lange nicht gleichberechtigt. Es wird Zeit, einen noch stärkeren Fokus auf die Rechte und Chancen aller zu setzen, anstatt wie bisher auf die der wenigen Auserwählten. Frauen in der Mode: Das sind nicht nur Models, Ikonen und Designerinnen. Frauen in der Mode sind auch Managerinnen und CEOs. Und künftig sollten das viele mehr sein.