Jeff Abrams ist ein klassischer Selfmade-Man, der als Quereinsteiger in der Modebranche seinen ganz eigenen Weg gegangen ist und dabei vor allem auf seinen Instinkt gehört hat. Nach seinem Abschluss an der University of California in Berkeley, begann Abrams zunächst im Marketing für ein Entertainment Studio zu arbeiten. Bis er 2008 das kalifornische Modelabel Rails gründete. Die Lifestyle-Marke für Men und Women ist mittlerweile in über 40 Ländern von mehr als 1.000 Händlern vertreten und umfasst klassische Hemden, Strickware, Oberbekleidung, Kleider und Denims. Wir baten den Unternehmer zum 5-Fragen-Interview.
Fangen wir ganz von vorne an: Sie haben 2008 Ihr eigenes Label gegründet, das den europäischen und Westküsten-Lifestyle miteinander verbindet. Steht Rails immer noch für diesen Mix oder hat sich die Philosophie seitdem geändert?
Ich habe Rails mit dem Wunsch gegründet, eine Kollektion zu entwerfen, die die mühelose Ästhetik Kaliforniens mit einer raffinierten globalen Sensibilität verbindet. Wir konzentrieren uns immer darauf, großartige Produkte zu liefern und eine emotionale Verbindung zu unseren Kunden aufzubauen, indem wir eine überzeugende Haptik und eine innovative Verarbeitung bieten.
Sie sind damals als Quereinsteiger in die Modebranche gekommen und daher an bestimmte Dinge auch mit einem sehr offenen Mindset herangegangen. Was waren Ihrer Meinung nach die bislang größten Höhen und Tiefen bei Rails?
Die Anfänge von Rails waren von Trial und Error sowie unerwarteten Entwicklungen und Rückschlägen geprägt. Statt mich ausbremsen zu lassen, habe ich früh erkannt, dass eine schnelle und durchdachte Problemlösung immer zu besseren Ergebnissen führt und eine Unternehmenskultur schafft, die mit Widrigkeiten umgehen kann. Im zweiten Geschäftsjahr habe ich dann ein kleines Lagerhaus in einer unscheinbaren Ecke in der Innenstadt von Los Angeles gemietet. Von dort aus bin ich zu zahlreichen Stofflieferanten, Nähereien und Waschanlagen gefahren und habe dort meine kleine Ein-Mann-Show aufgezogen. Ich war Empfangsabteilung, Versandabteilung, Buchhaltungsabteilung, Designer als auch Geschäftsführer in einem. In den wenigen freien Minuten rief ich bei zahlreichen Geschäften an, um ihnen meine neue Marke schmackhaft zu machen, die damals nicht mehr war als ein Sortiment von acht verschiedenen Kapuzenpullis, Mützen und Buttondowns.
Ich unternahm außerdem kurze Roadtrips quer durch die USA und ging unangekündigt in die Läden, um mir ein Netz von Einzelhändlern aufzubauen, die bereit waren, das Produkt zu testen. Aber ja, die Zeit war geprägt von großen Herausforderungen, von Erfolgen und Misserfolgen, und eine Zeit, in der ich nicht nur lernte, wie man ein junges Unternehmen führt, sondern auch, wie man belastbar und kreativ ist und sich den Marktbedingungen anpasst. Aber das mitunter Wichtigste, was ich damals entdeckte, war, dass geschäftlicher Erfolg nicht nur von Leistung abhängt, sondern auch von menschlichen Beziehungen und der gemeinsamen Psychologie eines wachsenden Netzwerks von Lieferanten, Einzelhandelspartnern, Mitarbeitern und Kunden – von denen die meisten immer noch Teil unserer Rails-Familie sind.
Neben diesem Netzwerk an guten Beziehungen: Worauf kommt es in der Mode im Jahr 2021 und darüber hinaus wirklich an?
Unsere Kunden verlassen sich auf Rails als einen wichtigen Bestandteil ihrer Garderobe, weil sie eine emotionale Verbindung zu unserer Marke aufgebaut haben. Es liegt also an uns, weiterhin Produkte zu liefern, mit denen sie nicht nur gut aussehen, sondern sich auch wohl fühlen. Wir versuchen, ein Gleichgewicht zwischen unserem Geschäft und dem Engagement für unsere Gemeinschaft und unsere Partner zu finden. Wir waren eine der ersten Modemarken hier, die Schutzmasken herstellte und diese an Krankenhäuser, Schulen und Arbeiter an vorderster Front spendete. Außerdem verbessern wir kontinuierlich unseren ökologischen Fußabdruck durch die Einführung von umweltfreundlichen Produkte. In vielen Kategorien unserer Frühjahrskollektion 2022 werden wir weitaus mehr Stoffe aus nachhaltiger Produktion integrieren. Außerdem führen wir in diesem Herbst eine Denim-Kategorie ein, bei der ein Prozentsatz des Umsatzes Water.org zugute kommt, einer Organisation, die sich für die Bereitstellung von sicherem und sauberem Wasser in unterversorgten Gemeinden einsetzt.
Sie haben vor kurzem ein neues Rails-Geschäft in Paris eröffnet. Planen Sie weitere Eröffnungen in Europa? Und was ist das richtige Gleichgewicht zwischen stationären Geschäften und Onlineshops?
Unsere Strategie war es schon immer, Einzelhandelsgeschäfte unter der Marke Rails zu eröffnen, um unseren Kunden die Möglichkeit zu geben, die ganze Bandbreite unserer Marke physisch zu erleben. Auch wenn wir aktuell eine sehr unsichere Zeit für die Einführung von stationären Geschäften erleben, gehen wir langfristig davon aus, dass die Kunden weiterhin den persönlichen Kontakt suchen werden.
Wir haben bereits unglaublichen Erfolg in New York, San Francisco und Paris. Unser Ziel ist es nun, sechs Läden in den USA sowie weitere Läden in Paris, London und anderen wichtigen Städten in Europa zu eröffnen.
Das vergangene und dieses Jahr waren für viele eine große Herausforderung. Die Zukunft ist noch unberechenbarer geworden. Da Sie ohnehin kein Fan von kalkulierten Daten sind, stellt sich die Frage, wohin die Zukunft von Rails führen wird?
Ja, es war ein schwieriges Jahr für Einzelhändler und Verbraucher, aber wir bei Rails haben versucht, diesen veränderten Marktbedingungen positiv zu begegnen. Unser Hauptaugenmerk liegt weiterhin auf den Produkten und der Erstellung von großartigen Kollektionen. Wir haben eine Reihe von neuen Geschäften unter der Marke Rails eröffnet und unser E-Commerce-Geschäft ausgebaut, indem wir die Benutzerfreundlichkeit verbessert und neue Wege gefunden haben, um mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten, insbesondere auf internationalen Märkten. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir in unser Rails-Team und in ein erweitertes Netzwerk von globalen Partnern investiert haben. Wir erwarten und hoffen, dass 2022 ein besonders wichtiges Wachstumsjahr in Deutschland sein wird, da wir unsere Markenpräsenz ausbauen wollen.