Kann eine Fast Fashion Brand wirklich nachhaltig werden? Ein Interview mit Anna Winde, Head of Sustainability NA-KD

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Anne Winde ist seit Oktober 2020 Head of Sustainability NA-KD und hat ambitionierte Pläne, die sie vor allem mit einer transparenten Außenkommunikation anpackt. Zu den Zielen gehören die Halbierung der Treibhausgasemissionen vor 2030, Netto-Null-Emissionen vor 2050, eine jährliche Offenlegung der Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit, aber allen voran eine zirkuläre Wertschöpfungskette.

Wie diese neue Philosophie in die Kollektionen übertragen wird, zeigte die Ende Oktober lancierte ‚Reborn’ Kollektion in Kooperation mit der dänischen Influencerin Josefine Hanning Jensen. Alle Designs der neuen 44-teiligen Josefine HJ x NA-KD Reborn Capsule bestehen aus nachhaltigen und recycelten Materialien und markieren den Anfang einer neuen, besseren NA-KD-Ära.

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Anna Winde, Head of Sustainability NA-KD Foto: Presse

Sie sind seit Oktober 2020 Head of Sustainability bei NA-KD. Davor waren Sie im Sustainability-Segment der Volvo Group tätig. Inwiefern unterscheiden sich der Transformationsprozess der Automobilindustrie von der der Modebranche?
Sie sind nicht so verschieden. Auch wenn es sich um ganz unterschiedliche Unternehmen in ganz unterschiedlichen Branchen handelt, arbeiten wir im Bereich der Nachhaltigkeit alle mit den gleichen Herausforderungen. Wir wollen nachhaltigere Produkte herstellen, unabhängig davon, ob die größte Auswirkung in den Produktionsprozessen oder in der Nutzungsphase liegt, und unsere Wertschöpfungsketten so umgestalten, dass sie einen möglichst positiven Einfluss auf Mensch und Umwelt haben. 

Fast Fashion ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Können demnach Fast Fashion und somit auch NA-KD wirklich nachhaltig sein?
Nicht die Schnelligkeit und die Mode an sich sind das Problem, sondern die Art und Weise, wie wir die Ressourcen der Erde nutzen. Wir müssen die Ressourcen, die wir der Erde entnehmen, in einem geschlossenen Kreislauf halten und sicherstellen, dass die neuen Ressourcen, die diesen Kreislauf wieder auffüllen, aus nachhaltigeren Quellen stammen und mit möglichst geringen Umweltauswirkungen produziert werden. So weit sind wir heute leider noch nicht. Nicht einmal annähernd. Aber wir arbeiten gemeinsam in der Branche daran, dieses Ziel zu erreichen, in Kooperationen wie der Sustainable Apparel Coalition und dem Higg-Index sowie durch die Swedish Textile Initiative on Climate Action. 
Wir arbeiten auch daran, gemeinsam mit unseren Kund:innen Lösungen zu finden, um neue Ressourcen in einem Kreislaufsystem zu halten. Als ersten Schritt haben wir NA-KD Circle ins Leben gerufen, das es unseren Kund:innen ermöglicht, gebrauchte Artikel von NA-KD zu verkaufen und zu kaufen, und zwar vollständig integriert auf unserer Website. 
Mode wird von Menschen genutzt, um sich auszudrücken, sich selbstbewusst zu fühlen und um Vielfalt zu zeigen. Dies sind Aspekte der Mode, die wichtig sind, um sie zu erhalten. Wir müssen nur daran arbeiten, dies mit so wenig Auswirkungen wie möglich zu schaffen.

Wo sehen Sie noch ungenutztes Potenzial, wenn es um die Verantwortung von Modeunternehmen geht – auch bei NA-KD?
Das ist ein sehr spannender Bereich. Als Ingenieurin, die für ein technologieorientiertes Unternehmen arbeitet, sehe ich viel ungenutztes Potenzial in der Nutzung von Technologie, um Nachhaltigkeit, Verantwortung und Transparenz für Modeunternehmen zu fördern. Ein Beispiel dafür ist die Rückverfolgbarkeit von Produkten, die wir mit Hilfe von Technologie erreichen können. Es liegen sehr spannende Zeiten vor uns, in denen die Unternehmen Nachhaltigkeit und Technologie noch stärker miteinander verbinden werden!

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NA-KD hat klare Nachhaltigkeitsziele definiert. Wie gehen Sie an diesen Prozess heran und wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
Die Modeindustrie hat einen erheblichen Einfluss auf den Klimawandel – zwischen 3-10 % der gesamten Treibhausgasemissionen. Je nachdem, wie man rechnet. Aus unserer Sicht spielt es keine Rolle, wie hoch die Zahl genau ist. Wichtig ist nur, dass wir wissen, dass sie erheblich ist und dass wir handeln müssen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, unsere absoluten Emissionen bis 2030 um 50 % zu senken (im Vergleich zu 2020), die Emissionen pro verkauftem Produkt bis 2025 um 50 % zu reduzieren und bis dahin auch das auszugleichen, was wir nicht reduzieren konnten, um 2025 klimaneutral zu werden. Mehr zu unseren Klimaberechnungen und unseren Zielen finden Sie in unserem Nachhaltigkeitsbericht für 2020.

Und ja, um ehrlich zu sein, wird es sehr schwer, all das zu erreichen. Das ist es für jedes Unternehmen und für ein wachsendes Unternehmen wie NA-KD umso mehr. Selbst wenn wir unsere Emissionen pro verkauftem Produkt in diesem Jahr senken, werden wir wahrscheinlich unsere Gesamtemissionen erhöhen, da wir mehr Produkte herstellen. Deshalb sind Initiativen wie NA-KD Circle so wichtig! Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir als Unternehmen und als Weltgemeinschaft zusammenarbeiten. Gemeinsam unter Gleichgesinnten, gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern und gemeinsam mit unseren Kunden. 
Schon jetzt erhöhen wir kontinuierlich unseren Anteil an nachhaltigeren Materialien, verwenden nur recycelte Kunststoffe für unsere Versandtaschen, nachhaltigere Materialien für alle unsere Etiketten, arbeiten daran, unsere Lieferanten in ihrer Umweltleistung zu unterstützen, und bieten Klimakompensation für alle Transporte. Unser Anteil an nachhaltigeren Produkten, die Bio-Baumwolle oder recycelte Materialien enthalten, ist auf über 60 % aller von uns hergestellten neuen Produkte gestiegen. 

NA-KDs kürzlich lancierte Unisex-Kaspsel-Kollektion mit der dänischen Influencerin Josefine Hanning Jensen ist Ihre bisher nachhaltigste Kollektion. Was macht sie so besonders?
Inspiriert von den Elementen, hat die dänische Modemuse Josefine HJ drei exklusive Kollektionen entworfen, die ihre Liebe zur Natur widerspiegeln. Als erstes wurde das Element Luft vorgestellt, dann folgten Wasser und Erde. Die aus nachhaltigeren Mischungen, luxuriösen Stoffen und innovativen Schnitten hergestellten Designs spielen mit der Dualität der Elemente. Wir haben mit verschiedenen nachhaltigeren Materialien gearbeitet, wie z. B. Lenzing Ecovero, einer nachhaltigeren Viskosevariante, die aus Holz aus nachhaltig kontrollierten Quellen hergestellt wird. Das verwendete Produktionsverfahren kann die Emissionen und die Wasserbelastung im Vergleich zu herkömmlicher Viskose um 50 % senken. Diese Kollektion wurde zum Teil aus recyceltem Polyester hergestellt. Recyceltes Polyester, das aus Kunststoffproduktionsresten und -abfällen hergestellt wird, erfordert weit weniger Verarbeitungsschritte und Energieaufwand. Außerdem wird ein Teil der Kollektion aus Bio-Baumwolle hergestellt. Normale Baumwolle ist ein sehr ressourcenintensives Material – für ein T-Shirt können bis zu 2.500 Liter Wasser verbraucht werden. Das ist bei Bio-Baumwolle nicht der Fall, denn hier wird hauptsächlich Regenwasser verwendet, es gibt keine Giftstoffe und der Herstellungsprozess ist nachhaltiger.

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Kommen wir noch mal auf den NA-KD Circle zurück. Wie genau funktioniert das für die Endverbraucher:innen?
Wie bereits erwähnt hat NA-KD sehr ehrgeizige Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit und investiert viel Zeit und Geld, um in unserer Branche führend auf diesem Gebiet zu werden. Circle ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir den Gegenwert von über einer Million Euro in den Aufbau eines vollständig integrierten Kreislaufmarktplatzes investiert haben, bei dem das Kund:innenerlebnis und die Einfachheit für Käufer:innen und Verkäufer:innen von Secondhand-Kleidung im Vordergrund stehen.
Die Plattform ist vollständig in unsere Website integriert, auf der die Kund:innen wählen können, ob sie ein Kleidungsstück neu oder gebraucht kaufen möchten, sofern dies möglich ist. Um ein bereits gekauftes NA-KD-Kleidungsstück zu verkaufen, können sich die Kund:innen einfach in ihren digitalen Kleiderschrank einloggen und ein Produkt zum Verkauf anbieten. Wir werden die Plattform auf der Grundlage des Feedbacks unserer Kund:innen weiterentwickeln. Da uns bereits alle Produktdaten und Bilder zu den Kleidungsstücken vorliegen, müssen die Verkäufer:innen nur noch den Zustand des Artikels bestätigen und das Kleidungsstück dann verschicken, ansonsten nehmen wir ihnen die ganze Arbeit ab. 

All diese Veränderungen, sicherlich keine leichte Aufgabe in einem teilweise festgefahrenen System. Was motiviert Sie, Ihre Arbeit zu tun?
Die Arbeit mit Nachhaltigkeit macht viel Spaß! Am lohnendsten ist es, das Engagement und die Hingabe aller NA-KD-Kolleg:innen auf unserem Weg zur Nachhaltigkeit zu sehen. Unabhängig davon, ob sie im Transportwesen, im Einkauf oder in unserem Ingenieurteam arbeiten, die Leidenschaft für das Thema ist wirklich groß. Wenn alle in die gleiche Richtung arbeiten, ist es sehr spannend zu sehen, wie weit wir auf unserem Weg der Nachhaltigkeit kommen können! 
Auch persönlich motivieren mich Herausforderungen, und ich habe das Gefühl, dass es eine wirklich aufregende Zeit ist, in die Modeindustrie einzusteigen, die meiner Meinung nach in den nächsten Jahren einen großen Wandel erleben wird. Teil dieses Wandels zu sein, motiviert mich in meinem Job sehr. 

Was ist Ihr bislang größter Erfolg, seit Sie die Position des Head of Sustainability übernommen haben?
Wir haben im letzten Jahr bei NA-KD so viel im Bereich der Nachhaltigkeit getan. Von der Definition unserer Nachhaltigkeitsstrategie und der Festlegung unserer ehrgeizigen Ziele bis hin zur Einführung des NA-KD Circle und der Steigerung unseres Anteils an nachhaltigeren Produkten. Das ist wirklich nicht mein Erfolg, sondern eher eine Teamleistung des gesamten Unternehmens!