Circularity – Raus aus dem Müll

Illustration von Cradle to Cradle.
Illustration: Cradle to Cradle - Christian Buchner

Dieser Artikel erschien in J’N’C Ausgabe 1-2021.

Kreislaufwirtschaft oder auch Circularity ist eine der großen Lösungsideen für eine Welt im ökologischen Gleichgewicht. Zirkularität bedeutet die Abkehr von linearen Systemen und somit das Ende einer Wegwerfgesellschaft. Es könnte den Schlusspunkt einer Einbahnstraße aus nicht enden wollenden Müllbergen markieren, die den Planeten auf Jahrtausende hinaus für die kommenden Generationen vergiften.

Circularity – Cradle to Cradle

Die zentrale Idee von Cradle to Cradle stammt von Michael Braungart und William McDonough, die 2002 das gleichnamige Buch ‚Cradle to Cradle: Einfach intelligent produzieren‘ veröffentlicht haben. Kern des Cradle-to-Cradle-Prinzips ist Abfallvermeidung. Die NGO Cradle to Cradle, kurz: C2C, dessen Vorsitzende des Beirats Braungarts Ehefrau Dr. Monika Griefahn ist, versteht sich als Netzwerk von Aktivist:innen, die Wissenschaft, Wirtschaft, Bildung und Politik aufklärt und zusammenbringt. C2C hat eine mittlerweile geläufige Metapher geschaffen, die das Cradle-to-Cradle-Prinzip anschaulich und simpel erläutert: Der Lebenszyklus eines Kirschbaums. Der Baum blüht, trägt Früchte, versorgt Bienen, spendet Schatten, verarbeitet CO2, schenkt Sauerstoff und im Herbst dienen seine Blätter als Dünger. Perfekt.

Magazinseite zum Thema Circularity aus JNC.

Recycling als Kreislauf

Die Modeindustrie ist durchaus interessiert an Kreislaufwirtschaft. C&A war 2018 das erste Unternehmen, das eine Jeans mit Cradle-to-Cradle-Zertifikat in Gold im Sortiment hatte. Auch Trigema bietet eine Jogginghose mit dem goldenen C2C-Zertifikat. Die Cradle-to-Cradle-Zertifzierungen sind aber nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung, nicht nur in der Modebranche. Denn ein Fashion Piece, das vollständig biologisch abbaubar ist, lässt sich nur schwer herstellen. Stattdessen setzt die Textilindustrie verstärkt auf Recycling, um Ressourcen zu schonen und außerdem lässt sich Recyceltes gut verkaufen. Insbesondere recyceltes Plastik hat sich etabliert, sei es aus PET-Flaschen, alten Fischernetzen oder auch Polyester. Das ist zweifellos sinnvoll, wenn man bedenkt, dass die Erde in Plastikmüll ertrinkt. Darüber hinaus strafen Gesetze das sorglose Verwenden von Kunststoffen mittlerweile auch ab. So darf man laut einer neuen EU-Verordnung nicht recycelbares Plastik gar nicht mehr exportieren. Und schon 2018 hat die EU Kommission das ‚Circular Economy Package‘ eingeführt, mit dem Ziel einen geschlossen Kunststoffkreislauf zu einzuführen: Product Manufacturing – Use/Re-Use – Recycling – Regranulation. Ein weiterer entscheidender Schritt ist das Verbot von Einwegplastikprodukte wie Einwegverpackungen ab dem 3. Juli 2021. Kein Wunder also, dass sich Meldungen häufen, in denen Unternehmen erklären, Einwegverpackungen aus Plastik zu eliminieren.

Auf der Suche nach Lösungen

Das Recycling von Kunststoff wird aber dann zur Herausforderung, wenn ein Produkt nicht sortenrein ist. Und welches Fashion Piece aus recyceltem Polyester, welcher Rucksack aus recycelten PET-Flaschen ist das schon. Sven-Oliver Pink, Mitgründer und CEO von Fond of, habe ich 2019 in einem Interview gefragt, wie man denn vermeiden kann, dass aus einem Rucksack aus recyceltem PET am Ende doch wieder Plastikmüll wird. Er musste gestehen, noch keine ideale Lösung zu haben und erklärte, man wäre an der Stelle durchaus gerne Vorreiter. Pink erklärte: „Ideal wäre ein Kreislauf, dazu bräuchten alle Materialien aus einer Tasche den gleichen Schmelzpunkt. Rein theoretisch könnte man dann beispielsweise einen Satch (Rucksack) komplett in einer Hitzekammer einschmelzen und die daraus erhaltene Masse zum Beispiel zu einer Yogamatte verarbeiten.“ Nun gehört Fond of mit Brands wie Satch, Pinqponq und Aevor zu den Innovatoren der Branche, die bereit sind Zeit und Geld in Materialforschung zu investieren. Und genau das ist dringend gefordert, wenn man Kreislaufwirtschaft in der Mode ernstzunehmend etablieren möchte.

Illustration zu Kreislaufwirtschaft.
Illustration: Armedangels

Erste Schritte

Eine andere Brand aus Köln, die eine Vorreiterrolle einnimmt, ist Armedangels, die im Januar 2021 ihr erstes Circular Tee auf den Markt gebracht und im April 2021 ihr Circular Denim angekündigt hat. Das Label hat dem linearen Modell der Modeindustrie längst den Kampf angesagt und arbeitet daran, aus dem Cradle-to-Grave-Modell auszusteigen. Gemeinsam mit der 306° Factory von Valerius in Portugal produziert Armedangels ein T-Shirt, das zu aus 50 Prozent aus recycelter Biobaumwolle und zu 50 Prozent aus Tencel von Lenzig besteht. Das Shirt ist vollständig biologisch abbaubar und bringt das Unternehmen in seinem Vorhaben bis 2030 vollständig auf Kreislaufwirtschaft umgestellt zu haben, einen großen Schritt weiter. Leider ist Materialforschung kostspielig und nicht für jeden Hersteller, jede Brand erschwinglich. Ideal wäre, zu diesem Zweck ein Open Source System einzurichten, in dem Erkenntnisse, Ergebnisse und Lösungen für die gesamte Branche zugänglich wären. Aber das bleibt wohl ein altruistischer Traum. Denn Unternehmen möchten und müssen auch von ihren Innovationen finanziell profitieren, um wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben.

Standardisierte Lösungen sind gefordert

Materialforschung und daraus resultierende Innovationen verdeutlichen einen wichtigen Faktor, für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft muss Mode neu gedacht werden, und das schließt alle Produktionsschritte ein: Design, Recyclingfähigkeit auch von Zutaten wie Knöpfe und Reißverschlüsse und Bedarfsplanung, um Überproduktion zu vermeiden. Filippa K hat ihre Bedarfsplanung so optimiert, dass die Restposten der letzten Saison um die Hälfte reduziert werden konnten. Frei nach dem Motto: Weniger Sale, weniger Überproduktion. Das ist vor allem für die nahe Zukunft von Belang, denn standardisierte Lösungen beispielsweise für Recycling werden nicht zeitnah bereit stehen. Im ‚The State of Fashion‘-Report 2021 herausgegeben von Business of Fashion und McKinsey haben die Autor:innen *)Libbi Lee und Karl-Hendrik Magnus dem Schlüsselthema Zirkularität ein Kapitel gewidmet. Im Interview mit TM-TextilMitteilungen (02/2021) sagte Libbi Lee: „Ein weit verbreiteter, standardisierter Ansatz für Recycling im großen Maßstab wäre für die Modeindustrie ein entscheidender Schritt. Aber die Vielfalt der Materialien, der Herstellungstechniken und des Produktionsdesigns machen das zu einer größeren Herausforderung als beispielsweise bei Getränkeflaschen oder Plastiktüten. Kollektives Handeln könnte ein Ansatz sein, aber es wird tatsächlich starke Änderungen im Produktdesign und in der Herstellung durch die Marken und Lieferanten erfordern sowie Änderungen im Verhalten der Verbraucher:innen, wie die gezielte Suche nach nachhaltigen Artikeln und die Teilnahme an Rücknahmesystemen.“
Die Zukunftsvision einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft liegt also auf dem Tisch. Gesetze helfen, die Umsetzung zu beschleunigen. Ein Umdenken ist dennoch notwendig, damit Zirkularität nicht ein Nischendasein führen muss.

*) Libbi Lee ist Associate Partner bei McKinsey in London.
Karl-Hendrik Magnus ist Seniorpartner und Leiter der Apparel, Fashion & Luxury Group bei McKinsey Deutschland.