Kreative Renaissance: Schafft KI kreative Jobs ab?

Patrick Schwalb
KI Foto: Patrick Schwalb

Die KI kann schreiben, sie kann malen, und rechnen beherrscht sie ohnehin. Doch sie kann auch Businesspläne entwerfen, weiß, wie man Bilder verändert, und sie kann verstorbenen Sängern neue Lieder entlocken. KI kann all das und noch viel mehr. Doch was bedeutet das für kreative Köpfe?

In der Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) bezieht sich der Begriff auf die Fähigkeit von Maschinen, Informationen wahrzunehmen, zu verarbeiten, eigenständige Entscheidungen zu treffen und sich in gewisser Weise menschenähnlich zu verhalten. Im Gegensatz dazu steht das menschliche Bewusstsein, das unsere Fähigkeit beschreibt, Sinneswahrnehmungen, Denken und Emotionen miteinander zu verknüpfen. Es umfasst auch die Art und Weise, wie wir uns selbst verstehen und unsere eigenen Erfahrungen subjektiv interpretieren. Ob es jemals möglich sein wird, eine KI mit eigenem Bewusstsein zu erschaffen, ist unsicher. Allerdings ist es weniger zweifelhaft, dass KI-Fähigkeiten in vielen Bereichen der menschlichen Fähigkeiten nahekommen und diese möglicherweise übertreffen können. Insbesondere im Bereich kreativer Schöpfungen können Superintelligenzen in der Computerwelt oft menschliche Leistungen in den Schatten stellen. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Ängste und Bedenken, die neue Erfindungen hervorrufen können, findet sich in einem Zitat aus der Brand Eins-Ausgabe 09/23: „Die neue Erfindung sei ‚Gift für Autorinnen und Autoren‘, lautete eine Schlagzeile. Sie stelle eine ‚Bedrohung für den Lebensunterhalt‘ von Forscherinnen, Freelancern und Verlagen dar, so der Artikel weiter. Und schließlich: ‚Schriftsteller und Wissenschaftler (…), vereinigt euch! Ihr müsst eure Tantiemen retten.‘ Die Rede war nicht von ChatGPT oder anderen KI-Tools, sondern von Fotokopierern.“

Jetzt wird’s spannend: Nach den faszinierenden Ergebnissen unseres letzten Fotoshootings – wenn man es überhaupt so nennen kann – tauchen Fragen auf, die die Zukunft der Fotografie und des Berufs des Fotografen betreffen. Wir sind gespannt, wie wir eines Tages bestehende Mode in KI integrieren können, um unsere kreativen Horizonte zu erweitern. Doch auch die Zukunft herkömmlicher Fotoshootings und die Auswirkungen auf den Fotografenberuf werfen Fragen auf. Wir haben uns daher mit dem Fotografen und neuerdings KI-Prompter Patrick Schwalb unterhalten und einen Dialog über den Hype, die Chancen und die denkbaren Worst-Case-Szenarien geführt.

Wie viel kreativen Einfluss hast du auf die KI?
Es ist tatsächlich so, dass die Ergebnisse noch etwas unberechenbar sind. Wenn man sich auf bestimmte Ergebnisse versteift, kann das ziemlich schwierig sein. Die KI gibt einem immer eine Auswahl von Ergebnissen vor. Du wählst aus diesen Vorschlägen aus und arbeitest damit weiter. Somit hat jeder letztlich doch Einfluss auf seinen eigenen Stil, basierend auf den Entscheidungen, die er trifft.

Wie denkst du darüber, wie schnell die KI in der Lage sein wird, realistische Produkte nachzubilden?
Es wird noch einige Zeit dauern, bis die KI in der Lage ist, realistische Produkte nachzubilden.

Wir haben auch mal darüber gesprochen, dass der Nachbau von realen Produkten noch nicht möglich ist. Wie schnell denkst du, wird das passieren?
Ich habe zwei Söhne, beide Informatiker, und sie sagen unabhängig voneinander, dass die KI Schwierigkeiten hat, bestimmte vorgegebene Teile nachzubauen. Ich denke, das wird noch zwei bis drei Jahre dauern, bis sie dazu fähig ist.

Siehst du dich denn als Fotograf von den Möglichkeiten der KI bedroht?
In der Fotobranche, und in allem, was dazugehört, also Styling und Models, sind momentan weniger Aufträge. Durch die Wirtschaftskrise sind viele Modekunden zurückgegangen, einige sind sogar insolvent gegangen. Global gesehen haben viele damit begonnen, sich auf KI zu spezialisieren. Wir sind an einem Punkt, an dem niemand wirklich weiß, wie es weitergeht. Aber in Wirklichkeit fühlt sich natürlich jeder bedroht, der mit KI in seinen Berufen in Kontakt kommt, wie beispielsweise im Schreibwesen. Bei Fotografen ist die Bedrohung noch recht virtuell und findet noch nicht in großem Umfang statt.

Bei uns Autoren ist es schwierig zu erkennen, ob Texte von aufstrebenden Talenten verfasst wurden, die einfach sehr gut sind, oder ob KI-Systeme im Spiel waren. Kann ich das überhaupt mit Sicherheit feststellen? Kann ich solche Einflüsse verhindern? Ich glaube, nein. Das wirft die Frage auf, wie stark ich als Mensch noch in den Prozess eingreife. Wie du bereits sagst, kann ich mich für mehrere Optionen entscheiden. Gleichzeitig kann jemand, der Texte schreibt, entscheiden, ob er mit dem Ergebnis zufrieden ist oder ob er nacharbeiten möchte. Hier sehen wir, dass die Korrekturschleife immer noch eine wichtige Rolle spielt. Ob ich mich jedoch davon bedroht fühle, kann ich dir noch nicht sagen.
Jetzt, wo ich mich wirklich intensiv damit auseinandergesetzt habe, muss ich zugeben, dass ich gewisse Bedenken habe. An einem Abend habe ich darüber nachgedacht, wie schön es ist, wenn man mit realen Objekten arbeitet. Man kann sie bewegen, an die Wand hängen, ohne 200 verschiedene Versuche unternehmen zu müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Das ist ein großer Unterschied zur Arbeit mit KI – zumindest jetzt.

Viele Menschen haben Angst vor KI und zeichnen Science Fiction-ähnliche Szenarien für die Zukunft. Wie siehst du das?
Ich würde vielmehr sagen, dass ich gesunden Respekt vor KI habe. Gleichzeitig finde ich das Thema äußerst faszinierend. Der Respekt resultiert aus der Tatsache, dass die Technologie meine langjährige berufliche Tätigkeit als Fotograf in Frage stellt. Das hätte ich vor zwei Jahren nicht für möglich gehalten. Damals war die Umstellung von analoger auf digitale Fotografie bereits eine große Veränderung, aber viele Kollegen waren überzeugt, dass die Digitaltechnik niemals die Genauigkeit der analogen Fotografie erreichen würde. Sie glaubten fest daran, dass Fotografie immer ein Handwerk bleiben würde. In gewisser Weise versuchten sie, ihre Angst vor der neuen Technologie zu verbergen. Doch damals war klar, dass Fotografen weiterhin gefragt sein würden, unabhängig davon, ob sie analog oder digital arbeiteten. Jetzt, mit der Entwicklung von KI, ist jedoch das gesamte Konzept des Fotografenberufs in Gefahr. Es wird Veränderungen geben, und die Fotografie wird sich wahrscheinlich in einem Ausmaß verändern, das wir bisher nicht erlebt haben. Es ist wahrscheinlich, dass der Beruf des Fotografen weniger Fotografen hervorbringen wird als bisher. Einige werden glauben, dass es keinen Wert mehr hat, diesen Beruf auszuüben, sondern werden Prompter.

Aber wie wir bereits aus der Vergangenheit wissen, wird oft eine Gegenbewegung zum anderen Extrem ausgelöst. Vielleicht erleben wir hier die Wiederkehr des Fotofilms.
Ja, es könnte sein, dass die Analogfotografie ein Revival erlebt, vor allem in Situationen, in denen Unternehmen sich als einzigartig und abseits des Mainstreams präsentieren wollen. Wenn eine Firma, sei es im Modebereich oder in einem anderen kreativen Bereich, wirklich zeigen möchte, dass sie etwas Besonderes ist, könnte die Entscheidung, Bilder und Kampagnen analog zu fotografieren, als Qualitätsmerkmal dienen. Das Besondere am analogen Konzept ist, dass man nicht genau weiß, wie die Bilder herauskommen werden, im Gegensatz zur digitalen Fotografie, bei der man volle Kontrolle hat. Aktuell ist die analoge Fotografie in den Hintergrund gerückt, aber wer weiß, vielleicht gewinnt sie durch diese Gegenbewegung wieder an kommerzieller Bedeutung.

Wie denkst du, wird dieser technologische Vorsprung unsere Branche beeinflussen?
Als der Wandel von analog zu digital kam, war ein Arbeitsbereich besonders bedroht, nämlich die Fotofachlabore. Früher gab es viele Aufträge für sie, aber als die meisten Fotografen auf digitale Fotografie umgestiegen sind, gab es viel weniger Arbeit für die Labore. Sie mussten sich anpassen, aber letztendlich wurden viele von ihnen innerhalb von zwei bis drei Jahren vom Markt gefegt, da das Arbeitsvolumen drastisch gesunken war. Das wird wahrscheinlich auch unsere Branche beeinflussen.

Welche Ratschläge würdest du anderen Kreativen geben, nicht nur Fotografen, sondern jedem, der von der Entwicklung bedroht sein könnte?
Das ist eine gute Frage, die ich mir oft gestellt habe. Im Moment habe ich keine endgültige Antwort darauf. Der Mensch ist höchstwahrscheinlich in der Lage, Dinge zu schaffen, die für die KI greifbar sind. Aber ich kann nicht sagen, ob KI in der Lage wäre, etwas zu schaffen, was wir als kreativ bezeichnen. Es gibt viele unvorhersehbare Faktoren, die dazu führen, dass Kreativität entsteht. Es können beispielsweise zwei verrückte Menschen zusammenkommen und aus irgendeinem Grund eine unglaubliche Kreativität entfalten, die nicht leicht zu reproduzieren ist. Aber KI hat das Potenzial, unser Leben radikal zu verändern.

Absolut, ich sehe das genauso. Diese rasante Entwicklung überholt uns förmlich, und wir bekommen lediglich den Windstoß dieser Bewegung zu spüren, ohne wirklich mithalten zu können.
Genau, es ist wirklich eine faszinierende Mischung aus Begeisterung und Besorgnis.