Färben mit lebendigen Bakterien – Ein Interview mit Julia Moser von Growing Patterns Living Pigments

Living Pigments
Foto: Julia Moser

Textilien auf Kosten der Umwelt zu färben war gestern, Muster nachhaltig wachsen zu lassen, ist die Zukunft. Zumindest wenn es nach Julia Moser von Growing Patterns Living Pigments geht. Die Österreicherin widmet ihre Forschung dem Färben mit lebenden Bakterien. Warum diese ihren eigenen Charakter haben und welche Chancen diese Methode bietet, erzählt sie im Interview. 

Julia Moser
Julia Moser
Foto: Yuti Kainz

Liebe Julia, in deinem Projekt Growing Patterns Living Pigments färbst du Textilien mit lebenden Bakterien. Wie funktioniert das?
Es gibt verschiedene Wege, für die jeweils sterile Bedingungen im Labor benötigt werden. Die Bakterien müssen dabei meist in Petrischalen auf geeigneter Nährstofflösung gezüchtet und vermehrt werden. Entweder „erntet“ man die Pigmente dann und verwendet sie in herkömmlichen Färbeverfahren oder die lebendigen Organismen bewachsen die Stoffe direkt. Dafür legt man sie in mit Bakterien beimpften Flüssigmedien oder auf sogenannten Agarplatten. 

Eignen sich denn alle Bakterienstämme zum Färben?
Von den bisher bekannten Pigmentbakterien eignen sich nicht alle zum Färben von Textilien, zum Beispiel weil es sich um krankheitserregende Stämme handelt oder die Farbstoffe dafür nicht stabil genug sind. Das limitiert die Farbpallette, weshalb einige Unternehmen mit synthetischer Biologie und manipulierten Bakterien auf genetischer Ebene arbeiten. Ich aber lasse Stoffe ausschließlich mit lebendigen Organismen bewachsen, da dies die umweltfreundlichste Methode ist, die viel Wasser spart.

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Foto: Julia Moser

Kann das Färben mit Bakterien denn noch andere Umweltprobleme lösen? 
Es kann vor allem Ressourcen schonen sowie Umweltverschmutzung eindämmen. Das Färben mit lebendigen Bakterien benötigt kaum Wasser und keinerlei schädliche Chemikalien. Nach dem Färben bleiben die Pigmente fast zu 100% im Stoff und es entsteht dabei kaum Abwasser, was die wesentlichsten Probleme der Textilindustrie anspricht. Ich sehe da noch viel Potenzial. Individuelle Auftragsarbeiten zu erleichtern und somit die Überproduktion einzudämmen, beispielsweise. 

Apropos individuell: Verschiedene Bakterienstämme schaffen auch unterschiedliche Muster und Farben. Inwieweit ist das Färben mit Bakterien planbar?
Alles Naturgegebene enthält Unregelmäßigkeiten. So wie kein Blatt eines Baumes je ident ist, verhalten sich auch die Bakterienstämme nie gleich. Es ist also nicht 100% voraussehbar. Aber durch intensive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Bakterienstämmen ist es durchaus möglich, das eigene Verständnis zu erweitern und gewisse Parameter kontrollierter einzusetzen. 

Living Pigments
Foto: Ars Electronica Festival 2021, Florian Voggeneder

Was ist die größte Schwierigkeit dabei? 
Dass Bakterien sehr schnell mutieren und selbst ein und derselbe Stamm unterschiedliche Qualitäten, Eigenheiten oder Farbnuancen aufweisen kann. Auch die Wahl des Textils spielt eine große Rolle für die Farbgebung. Besonders spannend ist, dass es nicht unrelevant zu sein scheint, welche Person die Tätigkeit ausführt bzw. mit welcher Haltung das Ganze ausgeübt wird. 

Wie meinst du das genau?
Gewisse Abläufe und Methoden können zwar erlernt werden, dennoch handelt es sich bei den Bakterien um lebendige Organismen, die ihren eigenen Willen haben. Auch andere Personen, die auf diesem Gebiet arbeiten, wie etwa Yasmine Ostendorf-Rodriguez, bestätigen das. In ihrem Buch Let‘s become fungal schreibt sie, dass Pilze nicht gezwungen werden können, zu wachsen und es sicher nicht passieren wird, wenn man sie stresst. In Korea schmeckt fermentierter Reis in jeder Familie anders, durch die verschiedenen Bakterienpopulationen auf der Haut, die sich bei der Verarbeitung auf das Essen übertragen. Auch, wenn bei der textilen Bakterienfärbung alles unter sterilen Bedingungen abläuft und die bloße Haut nie direkt mit Stoffen und Bakterien in Berührung kommt, scheinen weit mehr als nur wissenschaftlich nachweisbare Faktoren Einfluss auf den Färbeprozess auszuüben. 

Living Pigments

Wie siehst du das, als Person, die zwischen Wissenschaft und Zufall arbeitet: Muss Mode immer perfekt sein?
Zum Färben mit Bakterien benötigt es eine gewisse wissenschaftliche Herangehensweise. Eine Verbindung mit den Bakterien aufzunehmen, halte ich aber für ebenso wichtig. Ich finde es besonders spannend, wenn sich Intuition und Wissenschaft treffen. Auch, wenn es vor allem in Hinblick auf Deadlines oft schwierig sein kann, schätze ich mittlerweile das eigenwillige Verhalten der Bakterien. Es ermöglicht besondere Effekte, die anders nicht möglich wären. Für mich wird Mode dann interessant, wenn Kleidung nicht als Massenware oder Wegwerfprodukt gedacht wird. Ich sehe das als Chance, um eine engere Bindung zwischen Mensch und Mode herzustellen. 

Living Patterns
Panta Rhei. Growing colours for flowing waters
Foto: Yasunari Kikuma

Ist das Färben mit Bakterien etwas völlig Neues?
Obwohl Bakterien mit einer Evolutionszeit von 3,5 Milliarden Jahren eine der ältesten lebendigen Organismen auf unserem Planeten darstellen, sind sie bislang noch ziemlich unerforscht. Das Färben mit ihnen hat sich in den letzten 20-25 Jahren entwickelt, steckt also noch in den Kinderschuhen. Es begann, als der Japaner Atsushi Kojima blau-lila verfärbte Seidenfäden von Fischernetzen beobachtete. Zusammen mit anderen Wissensschaffenden konnte man dieses Phänomen dann auf den Bakterienstamm Janthinobacterium lividum zurückführen, mit dem es erstmals gelang, Textilien bewusst mit Bakterien zu färben. Mittlerweile gibt es bereits einige Start-Ups, Designer:innen sowie Unternehmen, die sich damit auseinandersetzen. Ihr Ziel ist allerding, Bakterienpigmente in großen Mengen herzustellen und verfügbar zu machen, um mit dem Markt an petrochemischen Farbstoffen konkurrieren zu können.

Living Pigments
Foto: Julia Moser

Und was ist dein Ziel?
Ich sehe die Aufgabe meines Studios vor allem relevant in Hinblick auf Forschung, Entwicklung, Bewusstseinsbildung hinsichtlich kritischer Themen in der Textil- und Färbeindustrie. Ich will helfen, ein positiveres Bildes von Bakterien zu zeichnen und eine Inspiration sein für große Veränderungen in der Textilbranche. Ich wünsche mir dafür in Zukunft weniger Konkurrenzdenken und mehr gemeinsamen Austausch zwischen Firmen sowie Unterstützung auf politischer Ebene. Textilien betreffen jeden einzelnen Menschen, selbst jene, die so etwas gar nicht interessiert. Ich hoffe deshalb, dass wir in Zukunft mehr Entscheidungen treffen können, die im Einklang mit der Umwelt stehen und dabei nicht nur Profit und Macht im Vordergrund sind. In meinem Projekt Yearning for colour forsche ich weiterhin hinsichtlich transmedialer Übersetzung des Bakterienwachstums, wodurch auch spannende Kleiderformen entstehen. Wenn zum Beispiel Stricknadeln einer Strickmaschine unterschiedliche Befehle ausführen, je nach Art und Weise des Wachstums der Bakterien. Und neben Ausstellungen, Performances, Vorträgen sowie Workshops werde ich die Arbeit mit meinem Studio eventuell auf andere Arten umweltfreundlicher Pigmente ausweiten. Mehr möchte ich dazu aber noch nicht verraten.

Mehr unter livingpigments.com.