Gastbeitrag: Die Zukunft des deutschen Einzelhandels

Einzelhandel
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Der stationäre Einzelhandel in Deutschland befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Prognosen, wie die des Handelsverbandes Deutschland (HDE), gehen von bis zu 5.000 Ladenschließungen alleine in diesem Jahr aus – eine Entwicklung, die auf eine tiefgreifende Veränderung des Marktes hindeutet.

Mit jedem Wandel sind auch Herausforderungen verbunden: Händler:innen müssen sich an veränderte Konsumgewohnheiten anpassen, neue Technologien und Geschäftsmodelle integrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Phase des Umbruchs ermöglicht es jedoch, den Einzelhandel nicht nur zu modernisieren, sondern auch widerstandsfähiger gegenüber künftigen Herausforderungen zu machen.

Zwischen Traum und Realität: Die Herausforderungen einer Ladeneröffnung heute

Eine von Faire in Zusammenarbeit mit YouGov durchgeführte repräsentative Umfrage zeigt, dass viele Menschen in Deutschland vom eigenen Geschäft träumen: 16% der Befragten wünschen sich eine Selbstständigkeit im Einzelhandel und 65% von ihnen glauben, dass sie diesen Traum innerhalb der nächsten fünf Jahre realisieren könnten. Trotz dieses Potenzials stehen jedoch zahlreiche Hürden im Weg.

Finanzielle Unsicherheiten sind dabei das größte Hindernis. 42% der Befragten gaben an, dass ihnen das nötige Kapital fehlt, um ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Zudem scheuen 27% die wirtschaftlichen Risiken, die mit der Gründung eines Ladens verbunden sind. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Einstieg in den Einzelhandel für viele zwar ein Wunsch, aber keine greifbare Realität ist.

Neben der Studie von Faire zeigt eine Umfrage der KfW, dass 33% der Handelsunternehmen die Kreditaufnahme 2023/24 als schwierig empfinden und dies insbesondere kleine Unternehmen betrifft. Dieses schlechte Finanzierungsklima verhindert notwendige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Handels und verschärft die ohnehin bestehenden Unsicherheiten.

Mietsubventionen und mehr: Städtische Werkzeuge zur Stärkung des lokalen Handels

Städte und Gemeinden spielen bei der Rettung des stationären Einzelhandels eine wichtige Rolle. Denn städteplanerische Maßnahmen und Förderprogramme legen die Weichen für die Attraktivität des Einzelhandels vor Ort. Unterstützen können Städte und Kommunen beispielsweise durch Mietsubventionen oder die Schaffung von Pop-up-Stores, die insbesondere jungen Unternehmer:innen helfen, temporär Flächen zu nutzen und ihre Geschäftsideen ohne langfristige finanzielle Verpflichtungen zu testen. Auch traditionelle Kaufhäuser können mit neuen Konzepten, wie etwa Stalls – also kleineren, individuell geführten Verkaufsständen, ähnlich wie auf einem Markt – wiederbelebt werden. Diese Maßnahmen könnten das Einkaufserlebnis in Innenstädten bereichern und gleichzeitig eine diversifizierte Einzelhandelslandschaft fördern.

Darüber hinaus könnte die Stadtverwaltung gezielt in die Belebung einzelner Stadtteile investieren, um diese für Kund:innen attraktiver zu gestalten und damit den Einzelhandel in den jeweiligen Vierteln zu stärken. Solche Initiativen, die auf eine langfristige Verbesserung der Lebensqualität abzielen, haben das Potenzial, maßgeblich dazu beizutragen, den stationären Handel in Randgebieten oder weniger frequentierten Stadtteilen zu stabilisieren.

Die Rolle von Großhandelsplattformen bei der Wiederbelebung des Einzelhandels

Veränderung wird nur langsam vorankommen, wenn man ausschließlich darauf wartet, dass sich Finanzierungsmodelle verbessern oder kommunale Initiativen den Einzelhandel beleben. Solche Maßnahmen sind wichtig, reichen aber alleine nicht aus. Auf der Marktseite können Großhandelsplattformen entscheidend dazu beitragen, den Einzelhandel attraktiver und vor allem lukrativer für Ladenbesitzer:innen zu gestalten.

Online-Großhandelsmarktplätze wie Faire spielen hierbei eine zentrale Rolle, indem sie innovative digitale Konzepte und praktische Unterstützung anbieten. Ein Beispiel ist die Initiative Open with Faire, die Personen, die einen Laden eröffnen wollen, ein erweitertes Zahlungsziel von 60 Tagen gewährt und einen Bestellrahmen von bis zu 20.000 Euro ermöglicht, um das Produktlager erstmalig aufzustocken. Diese großzügigen und unbürokratischen Regelungen bieten neuen Einzelhändler:innen nicht nur einen Anreiz, sondern auch wirtschaftlichen Spielraum in der kritischen Anfangsphase ihrer Geschäftsgründung. Sie erleichtern es, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen und erste Schritte ohne den Druck sofortiger Zahlungsverpflichtungen und ohne die Gefahr umgehender Finanzengpässe zu gehen.

Darüber nutzen Plattformen wie Faire KI-gestützte Tools, die Einzelhändler:innen helfen, ihre Verkaufsprozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten, was wiederum ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht.

Frederik Reim, Country Lead DACH Faire
Frederik Reim, Country Lead DACH Faire

Guter Chancen für experimentierfreudige Händler:innen

Es scheint, als reiche die traditionelle Form des Einzelhandels nicht mehr aus, um Menschen – insbesondere jüngere Konsument:innen – in die Innenstädte zu locken. Innovative Ideen wie Concept Stores bieten eine Möglichkeit, das Einkaufserlebnis neu zu gestalten und den Einzelhandel nachwachsenden Generationen schmackhafter zu machen. In Concept Stores werden die Produkte von den Betreiber:innen sorgfältig ausgewählt und kuratiert, wodurch die Läden eine besondere persönliche Note erhalten. Diese Individualität und das handverlesene Sortiment schaffen ein einzigartiges Einkaufserlebnis. Die Ausgestaltung des Ladenkonzepts bietet viele Möglichkeiten, um die eigene Persönlichkeit und Vision kreativ auszuleben. Ein Laden kann beispielsweise um einen Onlineshop erweitert werden oder gar um eine Lifestyleplattform mit Blogbeiträgen und Social Media Auftritt. Der Store selbst kann als Location für Veranstaltungen und Workshops fungieren – Angebote, die Shoppingerlebnis und Community Building miteinander verbinden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der stationäre Einzelhandel in Deutschland zweifellos vor großen Herausforderungen steht. Es ist unbestreitbar, dass mehr staatliche Unterstützung notwendig ist, um dem Sektor neues Leben einzuhauchen und mehr Menschen dazu zu ermutigen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Doch auch Einzelhändler:innen befinden sich an einem Wendepunkt, an dem sich ihnen eine große Chance bietet, aktiv zur Zukunft des Einzelhandels beizutragen. Besonders unabhängige Ladenbesitzer:innen sind dabei in einer einzigartigen Position, da sie ihren Kund:innen so nah sind und genau verstehen, was diese suchen und was sie in die Läden locken könnte.

Über den Autor
Frederik Reim ist Country Lead DACH bei Faire und verantwortlich für das Wachstum der deutschsprachigen Märkte. Er hat bereits umfangreiche Erfahrungen in diesem Bereich bei Deliveroo gesammelt, wo er unter anderem für die strategische Entwicklung neuer Märkte zuständig war.