CPHFW SS25: Die Suche nach einer neuen Ästhetik

The Royal Danish Academy CPHFW
Backstage The Royal Danish Academy CPHFW SS25Foto: Tonya Matyu

Die SS25 Edition der Copenhagen Fashion Week (CPHFW) ging kürzlich über die Bühne, ihr Fazit klingt aber immer noch nach. Denn die skandinavische Modewelt scheint sich einig zu sein: Wenn wir nicht so weitermachen können wie bisher, müssen wir neu überdenken, wie Kleidung auszusehen hat. 

CPHFW
Backstage bei Rolf Ekroth
Foto: Bryndis Thorsteinsdottir

Egal ob Wirtschaft oder Gesundheitssystem, in Skandinavien scheint man stets einen Schritt weiter in der Zukunft zu sein. Länder wie Dänemark werden deshalb auch in ökologischer Hinsicht stets als Vorbild dafür genommen, nicht lange zu reden und stattdessen einfach zu handeln. Bestes Beispiel dafür ist die Copenhagen Fashion Week. Als erste ihrer Art setzt sie auf strenge Umweltkriterien, führte u.a. 18 verschiedene Nachhaltigkeitsrichtlinien für alle teilnehmenden Brands und Events ein. Im Aktionsplan wurde festgelegt, wie man die Auswirkungen der Veranstaltung auf das Klima, den Ressourcenverbrauch und das Abfallaufkommen reduzieren und gleichzeitig die Bemühungen der Modemarken noch weiter verbessern kann. Die Aktion trägt Früchte, denn nirgends sonst findet man so eine Fülle an jungen Designer:innen, die sich mit ihrer Mode einer wahrlich großen Vision verschrieben – nämlich, eine völlig neue Ästhetik zu schaffen. 

CPHFW Stem
Stem
Foto: James Cochrane
CPHFW
Stem
Foto: James Cochrane

Zero Waste for real

Das vorherrschende Kredo der Modewelt ist derzeit perfekt an kapitalistische Strukturen angepasst. Kleidung muss neu und perfekt sein. Gebrauchsspuren, Löcher oder ähnliches? Geht gar nicht. Eine Ästhetik, die heutige Probleme wie Fast Fashion, Überproduktion und Überkonsum befeuert. Und genau daran wird in der skandinavischen Modelandschaft gerade kräftig gerüttelt. Das junge Label Stem zum Beispiel kreiert mit 100 Prozent Abfallvermeidung einen neuen Look, bei dem abstehende Fäden oder Asymmetrie sogar zum Stilelement werden. Das Aussehen des fertigen Kleidungsstücks passt sich dem Stoff an, nicht umgekehrt. Daran arbeitete die in Deutschland geborene und in London aufgewachsene Gründerin Sarah Brunnhuber übrigens zwei Jahre. Sie erfand ein innovatives System, das aus drei Hauptkomponenten besteht: einer Webtechnik, die Schnittteile direkt auf dem Webstuhl erzeugt, einer Schneidtechnik, die den gesamten Stoff nutzt und so den branchenüblichen Verschnittabfall von 15-25 Prozent eliminiert, und einer Nähtechnik, die charakteristische Fransen erzeugt. Stems dritte Kollektion plädiert für den bleibenden Wert von Handwerkskunst in einer Zeit, in der solche Fähigkeiten immer seltener werden und hinterfragt außerdem den Trend zur Automatisierung in der Modeindustrie. Die Kleidungsstücke, die zusammen mit der Designassistentin Mathilde Mortens entworfen und in einer kleinen Weberei im italienischen Bergamo gewebt wurden, sind die neueste Ergänzung der sich entwickelnden Capsule Wardrobe des Kopenhagener Labels.

Rolf Ekroth
Rolf Ekroth
Foto: James Cochrane
CPHFW Rolf Ekroth
Backstage bei Rolf Ekroth
Foto: Bryndis Thorsteinsdottir

Selbstgemacht statt perfekt

Handarbeit wieder mehr Wertigkeit verleihen, ist auch die Mission des finnischen Modedesigners Rolf Ekroth. Seine Frühjahr/Sommer 2025 Kollektion Lavatanssit wurde von traditionellen finnischen Tanzpavillons inspiriert, die über das ganze Land verstreut sind. Romantische Blumenmuster, Spitzenkrägen oder gehäkeltes Macramé spiegeln die Nostalgie dieser Orte wider, an denen man die raren Sommertage groß zelebriert. Einer der Strickpullover ist dabei in zwei Varianten erhältlich: als fertiges Produkt oder als DIY-Kit zum Selberstricken. „Wer sich mein Design nicht leisten kann, hat so die Möglichkeit, es daheim mit dem Originalgarn selbst nachzumachen. Dabei sieht man, wie viel Arbeit und Kunstfertigkeit in so einem Pullover steckt. Ich möchte, dass man durch meine Mode wieder einen neuen Blick auf Handgemachtes bekommt“, so Ekroth. Ob das Endergebnis dann makellos ist, tut dabei nichts zur Sache. 

Sinéad O'Dwyer
Sinéad O’Dwyer
Foto: James Cochrane
Sinéad O'Dwyer
Sinéad O’Dwyer
Foto: James Cochrane

Mode für alle

Mit vermeintlichen Makeln spielt Nachwuchstalent Sinéad O’Dwyer. Sie verwandelte mit ihrer Kollektion Everything Opens To Touch den Park der Kopenhagener Oper in eine Plattform für Inklusion. Die irische Designerin, die in den letzten Saisons in London zeigte, wurde Anfang dieses Jahres zur Gewinnerin des Zalando Visionary Award ernannt, der ihr einen Platz auf dem Programm der Copenhagen Fashion Week einbrachte. Von ihren Fans wird O’Dwyer dabei schon lange für ihre radikale Herangehensweise ans Thema Kleidergrößen gefeiert. Von Anfang an verwendete sie gleich mehrere Passformmodelle anstelle einer einzigen Mustergröße, wie sonst üblich. Zu den Models gehörte auch Blindenaktivistin Lucy Edwards, die mit ihrem Blindenhund über den Laufsteg ging. Designtechnisch zelebrierte die Show den weiblichen Körper, geprägt von einer Spannung zwischen sanfter Sinnlichkeit und Härte. Die starken Unterschiede verschiedener Körper und Geschlechtsidentitäten stehen dabei stets im Mittelpunkt ihres Designprozesses, von der Entwicklung bis zum Endprodukt. Mit cooler Selbstverständlichkeit zeigte die Irin damit der versammelten Modewelt, dass echte Inklusion möglich ist, wenn man nur will.

Frederik Taus
Frederik Taus
Foto: Tonya Matyu

Neue Talente der CPHFW

Auch im offiziellen New Talent Showroom der Fashion Week sah man Mode, die ihre Ästhetik an Faktoren wie Langlebigkeit und Material anpasst. Zu den ausgewählten Newcomern zählte beispielsweise Frederik Taus, der sich mit seiner Demi-Couture-Modemarke mit Sitz in Kopenhagen, auf maßgeschneiderte Kleidung und Accessoires spezialisierte. Auch die neueste Kollektion wurde im Atelier am Rande der Stadt gefertigt und vom zeitlos eleganten Stil von Frederiks Großmutter inspiriert. Die Entscheidung für Maßanfertigungen ermöglicht es dem jungen Label, alle Produktionsprozesse genau zu kontrollieren, Überproduktion zu vermeiden und Abfall zu minimieren. Deadstock sowie Upcycling-Stoffe kommen ebenfalls zum Einsatz.

CPHFW
Sofia Ilmonen
Foto: Tonya Matyu

Sofia Ilmonen aus Helsinki verfolgt dagegen einen modularen Ansatz: Durch Knöpfe und Schnürungen kann ihre Mode immer wieder neu getragen und individuell zusammengesetzt werden. Außerdem sind die Kleidungsstücke durch diese Struktur größenunabhängig und können daher vielen verschiedenen Körperformen gerecht werden. Hierfür fand die finnische Designerin eine völlig neue Ästhetik, die opulent und romantisch ist und modularer Kleidung einen völlig neuen Glanz verleiht. 

The Royal Danish Academy CPHFW
Backstage The Royal Danish Academy CPHFW SS25
Foto: Tonya Matyu

Gemeinsam in die Zukunft

Auch der ganz frische Nachwuchs ließ durchblicken, dass der Gedanke an eine nachhaltigere Modewelt kein Kurzzeittrend ist. Die Abschlusskollektionen der Absolvent:innen des Studienzweigs Mode an der Königlichen Dänischen Akademie waren  geprägt von Themen wie kulturelle Vielfalt, achtsamer Umgang mit Ressourcen und einer kreislauffähigen Modeindustrie. Auch Gedanken zu Identität und emotionaler Bindung an Kleidung flossen mit ein. „Wir streben leidenschaftlich danach, Kleidung zu schaffen, die wirklich zählt und die Fähigkeit hat, uns Hoffnung und Träume zu schenken – etwas, das die Welt gerade dringend braucht“, heißt es in der offiziellen Pressemeldung. Die Designs reichten von Ballkleidern bis zu hautengen Catsuits, von wild zusammengenähten Second-Hand-Stücken bis zu maßgeschneiderten Roben. Wie bringt man kulturelles Erbe und Mode zusammen? Kann man Menschen dazu bringen, sich nicht nur für eine Saison, sondern für Jahre um ihre Kleidung zu kümmern? Wie kann man handwerkliche Fähigkeiten in Dänemark halten, anstatt sie auszulagern? Aus der ganzen Welt stammend, kamen die Absolvent:innen mit möglichen Antworten auf diese Fragen in ihrer Abschlussshow zusammen, um Vielfalt und Gemeinschaft zu feiern.

The Royal Danish Academy CPHFW
Backstage The Royal Danish Academy CPHFW SS25
Foto: Tonya Matyu

Mode mit Substanz

Die SS25-Edition hat gezeigt, wie rasant sich die skandinavische Modeindustrie weiterentwickelt und dabei völlig neue Denkansätze hervorbringt. Gemeinsam für eine bessere Zukunft, auch in noch so schwierigen Zeiten – vielleicht war diese Fashion Week gerade deshalb so geprägt vom Gefühl von Zusammenhalt. Ein weiteres Highlight waren die inspirierenden Gespräche im Rahmen des offiziellen Talk-Programms, das in Zusammenarbeit mit Vogue Business organisiert wurde. Die Podiumsdiskussion der Organisation The Soulfuls beispielsweise, ermutigte Frauen mit verschiedensten Hintergründen, sich ihren Platz in der Modebranche zu nehmen. Das CPHFW x TikTok Creator Hub bildete einen lebendigen Treffpunkt, bei dem unter anderem auch feminines Spitzen-Upcycling von Kettel Atelier oder das Nachhaltigkeitskollektiv Colèchi vertreten waren. Die SS25-Edition der Kopenhagener Modewoche war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Mode nicht nur als kreatives Ausdrucksmittel, sondern auch als Treiber für Wandel und Zusammenarbeit fungieren kann. Farvel, København – bis zur nächsten Saison.