Vom Abwarten zum Handeln – 5 Fragen an Ulrike Kähler

Ulrike Kähler Gallery Fashion & Shoes Igedo
Ulrike Kähler, Managing Director Igedo ExhibitionsFoto: Presse

Messeveranstalter stehen aktuell vor einer der herausforderndsten Aufgaben in der Modebranche. Von ihnen wird erwartet, sich von alten Zeiten zu verabschieden und gleichzeitig den einstigen Glanz in die Gegenwart zu tragen. Die Branche ist jedoch geprägt von einer Stimmung aus Unsicherheit, Zurückhaltung und abwartender Haltung. In einem ehrlichen Interview mit Igedo Exhibitions Geschäftsführerin Ulrike Kähler wird deutlich, dass die Branche eines dringend benötigt: Commitment. Warum es jetzt an der Zeit ist, dass aus Worten Taten werden.

Ulrike, was können die Besucher:innen und Professionals zur kommenden Saison von der Igedo erwarten?
Was soll ich sagen? Ich könnte jetzt weit ausholen, und wir wären in ein paar Stunden noch nicht fertig. Es ist gerade wirklich eine besondere Herausforderung. Seit Corona empfinde ich dieses Wort oft als abgedroschen, aber es ist wirklich sehr unterschiedlich, was gerade draußen passiert. Wir haben versucht, die Termine der Schuhmessen näher an die Modemessen heranzubringen, um den Ausstellern die Möglichkeit zu geben, sich zeitgeistiger und moderner aufzustellen, indem sie vielleicht auch noch ein paar neue Zielgruppen erreichen, die das gesamte Konzept sehen.
Wir sind allerdings noch nicht so weit, dass wir alle drei Veranstaltungen an einem Termin zusammenführen könnten. Die Abläufe sind einfach nicht ruhig und rund – das muss man ehrlich sagen. Die Produktionen sind unterschiedlich, und es gibt viele Gründe, warum man eine Veranstaltung verschieben muss: Location, andere Wettbewerbstermine im europäischen Umfeld, die Frage, was Deutschland intern macht, wo die Zentren sind etc. Man muss auf so vieles achten, das ist inzwischen sehr mühsam. Aber ich glaube, wir müssen uns noch stärker auf neue Konzepte konzentrieren. Das Gewesene können wir nicht mehr umsetzen. Für mich ist der Handel der Schlüssel zum Erfolg. Der Handel muss die Augen öffnen und schauen, was es Neues gibt, was sie in ihren Läden umsetzen können, sonst verliert er die Kunden von morgen. Wenn die Konsumenten keinen Grund haben, die Läden aufzusuchen, wird es schwer.

Wo sind die Kompromisse, die du eingehst, und was erwartest du von den anderen?
Ich glaube, wir sind da wirklich Vorreiter. Wir haben auch während der Corona-Zeit Veranstaltungen gemacht und immer versucht, an der Seite der Branche zu bleiben und denjenigen zu helfen, die uns brauchen. Aber auch wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht alles finanzieren können. Wir sind kein  Förderverein, der alles ermöglichen kann. Wir bieten alles, was es gibt, aber beide Seiten müssen mit einem Lächeln aus dem Business gehen können. Das erwartet der Handel von seinen Lieferanten, und umgekehrt.
Wir kommen den Kunden entgegen, sei es mit kreativen Ideen, Themen, die wir in die Veranstaltungen einbringen, oder durch schöne Rahmenbedingungen, die den Aufenthalt verlängern. Aber wir müssen in dieser Marktsituation auch genau hinschauen. Seit langer Zeit haben wir unsere Preise kaum verändert, während alles andere teurer wird. Ich denke, wir kommen dem Kunden sehr weit entgegen, aber ich erwarte im Gegenzug auch ein Commitment. Ohne dieses Commitment kann ich auch nicht weiter investieren. Die Angst zu investieren ist so groß, dass es schwer ist, das nötige Vertrauen zu schaffen.

Glaubst du, dass es ein Identifikationsproblem innerhalb der Branche gibt, dass niemand genau weiß, welche Rolle er oder sie spielen soll?
Das ist ein sehr guter Punkt. Viele wissen wirklich nicht, wofür sie stehen. Wenn ich an große deutsche Marken denke, die immer noch versuchen, sich innovativ zu zeigen, dann sehe ich oft, dass es im Kern doch immer wieder dasselbe bleibt. Wir müssen mutiger sein, andere Wege gehen und uns auch von traditionellen Denkmustern verabschieden. Die neue Konsumentengeneration sucht nach etwas anderem – nach innovativen, kleinen Kollektionen, die vielleicht nur zweimal auf dem Markt sind. Nachhaltigkeit, Spezialitäten, Individualität – das sind die Themen, die sie interessieren.

Das Thema Nachhaltigkeit scheint ja paradoxerweise etwas an Interesse verloren zu haben, wenn wir auf die Neonyt zu sprechen kommen, und das, obwohl die Regularien strenger werden. Wie erklärst du dir das?
Eigentlich müsste Nachhaltigkeit zur Normalität werden. Aber viele Unternehmen beschäftigen sich noch nicht ernsthaft damit. Selbst die, die nach außen hin als Vorreiter gelten, zeigen oft kein echtes Interesse, wenn es konkret wird. Es gibt immer noch viel Skepsis und Unsicherheit, und viele verschließen sich, statt gemeinsam Lösungen zu finden. Das ist schade, denn nur zusammen können wir wirklich etwas bewegen. Wir als Veranstalter können eine Plattform bieten, aber die Branche muss auch bereit sein, diese zu nutzen.

Gibt es Ideen, wie man die Branche vielleicht enger zusammenbringen kann, um diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen?
Ich denke oft darüber nach, wie wir Menschen zusammenbringen können, die ähnlich denken und die gleiche Motivation haben. Vielleicht könnte man in kleinerem Rahmen Veranstaltungen organisieren, wo man sich austauscht und inspiriert. Wir brauchen mehr Orte, an denen sich Menschen, die etwas bewegen wollen, treffen können, ohne den ständigen Druck, dass alles sofort kommerziell erfolgreich sein muss. Es geht um das gemeinsame Vorankommen, um Ideen zu teilen und neue Wege zu finden.

Mehr unter igedo.com.